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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1971-72/0042
Wolfgang Müller

der Mahnung des Evangeliums, dem Herrn in einem treuen Dienst nachzufolgen.
Der Weg, den er als den ihm gebotenen erkannte, war - inmitten einer üppigen
städtischen Welt - Wirken in äußerster Armut und Dienst an den Verlassensten, den
Pestkranken, den Bettlern, den Seelen der Menschen. Sie wissen, wie dieses Feuer
der Hingabe gezündet hat, wie Tausende und Abertausende alles hingegeben haben,
um wie Franz als ein geringer Bruder, ein „Minderbruder", zu leben und Entsagung
und Friede zu predigen. Denn in Franz ist es offenbar geworden, daß aller Verzicht
auf Eigentum und Besitz Streit und Zank zum Erlöschen bringt und die Herzen erst
frei macht für den Frieden Christi. Franz hat streng darauf gesehen, daß nicht nur
jeder, der sich seiner Gemeinschaft anschloß, alles weggegeben hatte und gar kein
Eigentum mehr besaß, sondern daß auch alle Gemeinschaften seines Ordens arm
und ohne Besitz blieben. Selbst das Haus, in dem sie wohnten, sollte nur geliehen
sein. Sogar das Studium wollte er aus den Reihen seiner Brüder verbannt sehen, weil
man dazu Bücher benötigt, die ihm ein gefährlicher Ansatz einbrechenden Eigentums
zu sein schienen.

Das hohe Ideal völliger Armut hat bald im Franziskanerorden starke Einbuße
erlitten, und es traten innerhalb des Ordens heftige Richtungskämpfe darüber auf,
was an Eigentumserwerb erlaubt sein solle. Der Orden spaltete sich in die mildere
Richtung der Konventualen und die strengere der „Observanten", die die Regel
genauer beobachten. Aber auch die Observanten schienen vielen wieder zu lax und
nicht im Geist eines hl. Franz zu leben.

In der religiös so bewegten Zeit, als in Deutschland sich die Reformation entwickelte
und zu einer Spaltung der Kirche führte, waren einige Franziskaner in
Italien, wo immer wieder von neuem sich Reformansätze gebildet hatten, zur ganz
schlichten Lebensweise der Bettelmönche zurückgekehrt, die aus einer Art Einsiedler-
tum und härtester Entsagung immer wieder neue Kraft gewannen. Es war also nicht
ein einzelner Mann, der gleichsam als Ordensgründer am Anfang dieser Erneuerung
des Grundanliegens des hl. Franz gestanden hatte, sondern eine ganze Reihe reformwilliger
Mönche, die alle unter dem Gedanken standen, man müsse die Regel wieder
ganz wörtlich nehmen und zur anfänglichen Genügsamkeit und Strenge zurückkehren
: der eine, Matthäus von Bascio, brachte das mitreißende Beispiel, vermochte
aber über sein Verlangen nach dem Einsiedlertum nicht hinauszukommen; ein anderer
, Ludwig von Fossombrone, entwickelte große organisatorische Fähigkeiten,
ist schließlich aber, als er das Vertrauen seiner Mitbrüder verloren hatte, verärgert
aus ihren Reihen ausgeschieden. Ein dritter gar, Bernardino Ochino, ein bezaubernder
Kanzelredner, der im Volk höchsten Anhang gewonnen hatte, machte sich,
eben erst zum zweitenmal als Generalminister des Ordens gewählt, plötzlich auf
und ging zu den Reformierten nach Genf. Die hingebende Treue eines Bernardin
von Asti und die hohe Spiritualität eines Franz von Jesi, schließlich auch die Heiligkeit
eines predigenden Laienbruders in Rom, des Felix von Cantalice, führten den
jungen Kapuzinerorden durch alle anfänglichen Schwierigkeiten hindurch und
ließen ihn rasch erstarken. Schon längst hatte er sich über die ersten Plätze seines
Beginns in der mittelitalienischen Mark Ancona und dem süditalienischen Kalabrien
hinaus verbreitet und in ganz Italien bei den Städten und Städtchen armselige
Klösterlein und Kirchlein gebaut, von wo aus die Ordensangehörigen - dem Volke
in Armut und Anspruchslosigkeit ganz nahe - in Hingabe und tiefer Frömmigkeit
unaufhörlich die Frohbotschaft des Evangeliums verkündeten. Aber auch in hohen

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