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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1971-72/0125
Besprechungen

schlechter also gezwungen, sich wie die Handwerker in einer Zunft, der sogenannten Großzunft
, zusammenzuschließen, die den Handwerkerzünften weitgehend gleichgestellt war.
Die Rechte des Patriziats im Regiment waren in Memmingen stärker beschnitten als in
anderen Städten. Dieser tiefgreifende verfassungspolitische Einschnitt kann für Memmingen
in das Jahr 1347 datiert werden. Nach rund 200jähriger Dauer wurde diese Verfassungskonstruktion
gegen den Willen der Bürgerschaft von Kaiser Karl V. abgeschafft und
1551 eine neue Verfassungsordnung oktroyiert, die die politische Führung abermals einer
kleinen, lebenslänglich amtierenden Personengruppe übertrug.

Memmingen, eine der wichtigsten und mit 5000 Einwohnern (um 1500) die größte der
oberschwäbischen Reichsstädte, gehörte zu den Hauptplätzen der oberdeutschen Leinwandproduktion
und des Leinwandhandels. Auch hier war, wie in anderen Städten, der Handel
— insbesondere der Fernhandel — in erster Linie eine Domäne des Patriziats. Obgleich in
der für die Zunftverfassung grundlegenden Urkunde vom 9. Oktober 1347 der Groß- und
Fernhandel für jeden Memminger Bürger offengehalten wurde, zeigte es sich, daß der Fernhandel
tatsächlich doch weitgehend vom Patriziat getragen wurde. Seit der Mitte des
14. Jahrhunderts waren die Mitglieder der Großzunft vorwiegend Groß- und Fernkaufleute
, Handlungsdiener, Salzhändler, Bankiers, Weinschenken und Gewandschneider (Tuchhändler
). Dadurch gelang es den Memminger Geschlechtern, ihre verlorene politische Führung
durch ihre wirtschaftliche Führungsstellung zu ersetzen. Unter den Höchstbesteuerten,
d. h. unter den Reichsten, waren die Angehörigen des Patriziats zahlenmäßig weitaus am
stärksten vertreten; ihre Geschäftserfolge bestimmten hauptsächlich die wirtschaftlichen
Geschicke der Stadt.

Die Handelstätigkeit dieser Kaufleute erstreckte sich nach Osten, nach Italien (Venedig
), nach Spanien und Brabant. Sie beteiligten sich frühzeitig an den Entdeckungsfahrten
der Portugiesen. Stand am Beginn der Einzelkaufmann, so ging die weitere maßgebende
Entwicklung über die als Familienunternehmen konstruierten Handelsgesellschaften, die
nach der Mitte des 15. Jahrhunderts zur Konzentration tendierten und sich zu einigen wenigen
Großfirmen mit höherem Betriebsvermögen und einer großen Anzahl von Mitarbeitern
zusammenschlössen. Die Handelsgesellschaften betrieben das sogenannte Verlagswesen
mit Lohnarbeit, sie strebten in der Spätzeit Monopole an und gingen zum Geld-
und Kreditgeschäft über. Die dadurch entstandenen Großvermögen, die Kapitalkonzentration
in den Händen weniger Einzelpersonen und im "Bankwesen hatte für die weitere
wirtschaftliche Zukunft Memmingens verschiedenartige Folgen. Zum einen zog diese Entwicklung
kapitalkräftige Bürger aus anderen Städten an, um so mehr, als die Aufnahme
Neuzugezogener ohne zünftiges Gewerbe in die Großzunft bedeutend großzügiger als anderswo
geregelt war. Dadurch aber traten im 16. Jahrhundert Gewerbe und Handwerk,
die bisher in einem recht ausgewogenen Verhältnis zum Handel gestanden hatten, hinter
diesen zurück. Sowohl die Qualität der Memminger Erzeugnisse als auch die Nachfrage
nahmen ab. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts waren viele Weber arbeitslos, und die daraus
resultierende Verarmung führte zu sozialen Unruhen: Der Weberaufstand im Jahr 1518
wurde jedoch unterdrückt. Hinzu kam, daß die Großfirmen über die Grenzen der Stadt
hinauswuchsen. Die Anziehung besonders Augsburgs, aber auch Ulms als der bedeutenderen
Handels- und Kapitalplätze machte sich immer stärker und nachteiliger bemerkbar,
und bereits am Ende des 15. Jahrhunderts fing die Kapitalabwanderung an. Schließlich
führte die Reformation, die zwar von der breiten Bevölkerung frühzeitig aufgenommen,
von einem Teil des Patriziats jedoch abgelehnt wurde, zur Trennung von Familien und
damit zum Auseinanderbrechen von Handelsgesellschaften und zum Abzug verschiedener
kapitalkräftiger Personen. Das Zusammenwirken all dieser Komponenten hatte das Ende
der Blüte des Memminger Fernhandels im 16. Jahrhundert zur Folge.

Die bereits im Titel enthaltene doppelte Aufgabenstellung — Behandlung von Wirtschaft
und Patriziat — spiegelt sich in der Gliederung von Eirichs Arbeit: Der erste Teil
befaßt sich mit dem Verhältnis des Patriziats zur freien Reichsstadt Memmingen. Hierin
werden zuerst die Geschlechterfamilien zusammengestellt und die Entwicklung ihrer recht-

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