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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1971-72/0128
Neues Schrifttum

Den zwischen den Brüdern Eberhard I. und Georg I. und ihrem Neffen Johann d. Ä.
am 19. Dezember 1463 geschlossenen Vertrag bezeichnet Rauh mit Recht als Hausgesetz.
Dieser Vertrag stellt vermutlich das erste Gesetz hausrechtlichen Inhalts im Gesamthaus
Waldburg dar. Im Gegensatz zu den bisherigen Vereinbarungen, die jeweils nur für den
Einzelfall getroffen worden sind, enthält der vorliegende Vertrag erstmals die generelle
abstrakte Regelung, daß sich die Erbberechtigung der männlichen Angehörigen für alle zukünftigen
Erbfälle nach der Verwandtschaftsnähe zu richten hat. Ausgedrückt wird dies
durch die Formulierung: „daß beim Tode eines oder mehrerer von ihnen, ihrer Erben und
Nachkommen, Truchsessen zu Waldburg, wenn sie keine ehelichen Söhne hinterlassen, die
anderen unter ihnen, so nach recht vnd nechster sipp die nechsten erben sind, die Güter
erhalten" (S. 33).

Die erste wesentliche Anwendung des Hausgesetzes von 1463 erfolgte im Jahre 1511,
als mit der Ermordung des Grafen Andreas, des letzten männlichen Nachkommens der
eberhardinischen oder gräflich sonnenbergischen Linie der Waldburger, diese Linie erlosch.
Als Universalnachfolger kamen nur die jakobinische oder trauchburgische und die georginische
Linie in Betracht. Eine weitere Folge der gesetzlichen Bestimmungen war, daß Gräfin
Kunigunde zu Eberstein, geb. Gräfin von Sonnenberg und Truchsessin zu Waldburg, die
vor dem Reichskammergericht erbrechtliche Ansprüche geltend machte, sich mit dem Heiratsgut
begnügen mußte.

Die ersten Ansatzpunkte dafür, daß die Grundsätze der Erbberechtigung aller männlichen
Nachkommen und der Aufteilung der Erbmasse aufgegeben werden sollen, finden sich
in den Verträgen von 5. Oktober 1528 und 31. Oktober 1529. Reichserbtruchseß Georg III.
Freiherr zu Waldburg (georginische Linie) erwirbt zu seiner Hälfte des Schlosses und der
Herrschaft Waldburg noch die andere Hälfte von seinem Vetter Wilhelm d. Ä. (jakobinische
oder trauchburgische Linie) hinzu. In den Verträgen ist — wie Rauh erwähnt — festgelegt,
daß der Erwerber und seine Erben „Schloß und Herrschaft keineswegs aufteilen, davon oder
daraus etwas verkaufen oder verändern dürfen" (S. 42). Diese überaus wichtige Neuorientierung
des Erbfolgesystems hätte eingehender gewürdigt werden müssen. Zwar sind
die anklingenden Grundsätze noch nicht endgültig zum Durchbruch gekommen, denn sowohl
Wilhelm d. Ä. als auch Georg III. teilten ihren Besitz wiederum unter ihren Söhnen
auf; sie leiteten jedoch die nun folgende hausrechtliche Entwicklung ein.

Über einen hausrechtlich wichtigen Vorgang berichtet Rauh in Untertitel 21 auf den
Seiten 92 bis 96: in der georginischen Linie wird am 3. Februar 1661 zwischen Graf Johann
Jakob I. zu Zeil und Graf Maximilian Willibald zu Wolfegg eine Erbeinigung vereinbart,
deren wichtigster Inhalt die Einführung der Primogenitur ist. Nicht mehr alle männlichen
Nachkommen sollen gleichberechtigt den Nachlaß erben, sondern nur der erstgeborene
Sohn. Warum ausgerechnet beim Erbfall der beiden Vertragspartner die von ihnen aufgestellten
neuen Erbfolgegrundsätze nicht eingehalten worden sind, erfahren wir nicht.
Bei ihrem Ableben wurden jedenfalls ihre Besitzungen unter je zwei Söhne aufgeteilt und
damit in der georginischen Hauptlinie die vier Seitenlinien Zeil, Wurzach, Wolfegg und
Waldsee gegründet. Auch die von den Vertretern dieser neuen Linien am 10. Mai 1679
vereinbarte Erbeinigung, die inhaltlich mit derjenigen von 1661 übereinstimmt, ist nicht
— wie Rauh vermutet — rechtsverbindlich geworden. Das zeigen insbesondere die Bestrebungen
in den einzelnen Seitenlinien, ihrerseits erbrechtliche Grundsätze aufzustellen.
Auf diese Weise finden in der Zeit zwischen 1677 (Waldburg-Wolfegg-Wolfegg) und 1801
(Waldburg-Wolfegg-Waldsee) die Grundsätze des Erstgeburtsrechts in allen Linien des Gesamthauses
Waldburg Eingang.

Der von Rauh im Vorwort angekündigte zweite Band des Hausrechts ist zwischenzeitlich
erschienen. Er setzt im ersten Teil die hausrechtliche und -geschichtliche Entwicklung
bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs fort und enthält in einem weiteren Teil urkundliche
Quellen des Gesamthauses Waldburg von 1394 bis 1939.

Horkheim Wolfram Ulshöfer

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