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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1971-72/0131
Besprechungen

Martin Scharfe: Evangelische Andachtsbilder. Studien zur Intention und Funktion des
Bildes in der Frömmigkeitsgeschichte vornehmlich des schwäbischen Raumes (Veröffentlichungen
des Staatlichen Amtes für Denkmalpflege Stuttgart, Reihe C: Volkskunde
, Band 5). Stuttgart: Müller u. Gräff 1968. 366, XCVI S., insgesamt 161 Abb. Ln.

Der gläubige Mensch gerät bei religiösen Entscheidungen, besonders bei seiner Einstellung
zur Welt, oft in ein Spannungsfeld. So kehrt sich der konzentriert Eifernde häufig
vom Irdisch-Sinnlichen ab. Schon vor der Reformation gab es im christlichen Lebensbereich
Bewegungen, zum Beispiel die Mönchsorden, die zur Zurückgezogenheit und sogar — wie
Savonarola — zum Kampf gegen alles, was mit dem Begriff „Welt" gemeint war, aufriefen.
Im Zuge der Reformation erfolgte eine besondere Form der Ablehnung althergebrachter
kultischer und ikonographischer Werte. Gerade im protestantisch-schwäbischen Raum hatte
sich die Polarisierungskluft zwischen Bilderfeinden und Bilderfreunden am heftigsten
niedergeschlagen und ausgewirkt. Der Beschluß des Ulmer Rates von 1531, alle Tafeln,
Bildnisse und Altäre in den Kirchen zu entfernen und zu zerschneiden, und der schriftliche
Befehl Herzog Ulrichs von 1540 an alle württembergischen Ämter, die Bilder in den Kirchen
abzuschaffen, sollten zum gläubigen Volk eine Scheidewand errichten, um es vor einem
Rückfall in die alte „Idolatrie" zu bewahren. Es gelingt vielleicht erst heute, die geistigen
Entwicklungen und religiösen Tendenzen, die die Theologen und Amtspersonen zum Bildersturm
veranlaßten, objektiv und sachlich zu erörtern.

Martin Scharfe hat in souveräner Weise diesen Versuch unternommen. Er behandelt
umfassend und gründlich die geistige Einstellung führender Theologen und Persönlichkeiten
zur Absage oder Befürwortung der Kunst und der volkstümlichen Bilder für die
Gläubigen. Dieses Für und Wider bringt er von den Anfängen im 16. Jahrhundert über
den Barock und die Aufklärung bis zu den Institutionen der Kunstpopularisierung des
19. Jahrhunderts. Der einseitige Pietismus forderte zum Streit heraus.

Im Hauptteil zeigt Scharfe anhand des evangelischen Andachtsbildes für den protestantisch
-schwäbischen Raum, wie der gläubig fromme Mensch auf die Actio Gottes zur Reactio
in subjektiver Gestaltung religiöser Vorstellungen gelangte. Diese verlangen zur intensiven
Betrachtung das religiöse Bild. Die vielfältigen Bildtypen untersucht Scharfe psychologisch
und gründlich in ihrer religiösen Funktion. Ausführlich bearbeitet sind die anschaulichen
Bilder des Alten Testamentes: der Sündenfall, die Himmelsleiter, das heilige Zelt und die
eherne Schlange. Auch die Bildnisse von Begebenheiten im Neuen Testament erwecken
Glaubenshoffnung: Krankenheilungen, Auf erweckung des Lazarus, Christus als Apotheker,
als Guter Hirt und Christus in der Kelter. Das biblische Bild sollte Vorbild des christlichen
Lebenswandels sein.

Verwirrungen, im Kult des heiligen Urban oder in der Hinwendung zum rein Schöngeistigen
, sind zu beobachten. Die Porträts der Reformatoren stehen anstelle der Heiligen
neben Christus am Kreuz. Bewußt hat der Verfasser versucht, das vielfältige Andachtsbild
zu erfassen, ohne nach Qualität zu scheiden. Das Andachtsbild ist kein Objekt der Kunst,
sondern nur Mittel zur Andacht.

In einem reichhaltigen Bildteil sind die wichtigsten Formen des Andachtsbildes wiedergegeben
, so daß der Leser Einblick in die Materie erhält. Orts-, Personen- und Sachregister
machen das Buch zu einer gut benutzbaren Forschungsquelle.

Sigmaringen Walter Kaufhold

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