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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1971-72/0137
Besprechungen

zuletzt kommt darin die Neigung zu klösterlichem oder klosterähnlichem Gemeinschaftsleben
zum Ausdruck. Hingezogen fühlte man sich vor allem zum Benediktinerorden, dies
umso mehr, als auch der Güntherianismus in diesem Orden so bedeutende Anhänger hatte
wie etwa Theodor Gangauf, den Abt von St. Stephan in Augsburg, und etwas später dann,
im Zusammenhang mit dem Prozeß um Günther in Rom, den Abtbischof Don Simplicio
Pappalettere, Abt des cassinesischen Klosters St. Paul. Welchen Anklang gerade hier der
Güntherianismus gefunden hat, mag daraus hervorgehen, daß Wenzel in St. Paul eine
komplette Güntherbibliothek fand, gesammelt zwischen 1850 und 1860. Die Absicht war
nun, für den Güntherianismus, im weiteren für „deutsche Philologie, Geschichte, Naturwissenschaft
, Spekulation" im Orden des hl. Benedikt eine Heimstätte zu finden, diesen damit
gleichzeitig zu befähigen, mit den Mitteln der modernen Wissenschaft das Abendland noch
einmal zu „erobern" (aus diesem Brief des Güntherianers Dr. Johannes Watterich vom
14. Juli 1854). Der Mischung Kirche, Frömmigkeit und moderne Wissenschaft — hier über
das Medium des Benediktinerordens — miteinander in Einklang zu bringen und einem
überspannten Sendungsbewußtsein entsprang dann auch die Idee der Gründung eines
Benediktinerklosters in Preußen. Voraussetzung freilich war, daß man sich selber stellte.
Für die Vorbereitung bot sich St. Paul an. Als erster zog Johannes Peter Nickes (Don
Anselmo) zu Pappalettere, ihm folgten dann allerdings nur noch — kläglich genug — die
drei Brüder Wolter: Carl (Don Ildebrando, der früh verschied), Ernst (Don Placido) und
Rudolph (Don Mauro).

Aus der ersehnten Mission, so wie sie etwa Pappalettere vorschwebte — Versöhnung
von römischem und germanischem Geist, Rückeroberung Deutschlands durch einen der
Wissenschaft verpflichteten Orden —, wurde dann freilich nichts. 1857 wurden Günthers
Schriften indiziert, und an die Stelle von Pappalettere trat der Abt Angelo Pescetelli, der
Reformen auf religiöser Grundlage anstrebte. Die beiden Wolters schlössen sich ihm an.
Schicksalhafte Bedeutung für die Gründungsidee sollte dann die Begegnung der beiden
Brüder mit der Fürstin Katharina von Hohenzollern erhalten. Die ebenso fromme, dem
Klosterleben zugetane wie energische und dank ihrer Herkunft — sie war eine Hohenlohe,
ihr Vetter der geschäftige Kardinal Hohenlohe — einflußreiche Dame hatte eben einen mißglückten
Klosteraufenthalt hinter sich. Nun setzte sie die Begleitung der beiden
Wolter für eine Pilgerfahrt ins hl. Land durch, Zeit genug, sich für die Pläne der beiden zu
begeistern. Kaum zurückgekehrt, erwirkte sie beim Papst und bei Pescetelli die Entsendung
der Brüder nach Deutschland. Nickes, den konsequenten Güntherianer, hat sie mit Bedacht
übergangen. Die Mission selber stand zunächst unter keinem guten Stern. Die Abkehr vom
Güntherianismus hatte den Rückzug der deutschen Freunde zur Folge. Auch der erste Versuch
einer Niederlassung in Materborn bei Kleve erwies sich als Fehlschlag. Schließlich
griff die Fürstin erneut ein, indem sie die Mittel für den Ankauf des ehemaligen Augustinerchorherrenstifts
Beuron, nun im Besitz des fürstlichen Hauses in Sigmaringen, bereitstellte.
Der Kauf wurde durch den Erzbischof von Freiburg getätigt und das Stift dann den Benediktinern
überlassen. In der Zwischenzeit hatte sich Rudolph Wolter in der französischen
Abtei Solesmes aufgehalten. Ihr Abt, Don GueYanger, einer der bedeutendsten Benediktineräbte
des 19. Jahrhunderts, Gründer und Generalobere der französischen Kongregation, hervorragender
Liturgiker und nicht zuletzt — für diesen Zusammenhang besonders wichtig —
den Cassinesen wenig gewogen, übte einen entscheidenden Einfluß auf Don Mauro, wenig
später auch auf seinen Bruder aus. Die Folge war, daß Beuron von Anfang an als ein unabhängiges
, lediglich dem Erzbischof als päpstlichem Delegaten unterstelltes Priorat entstand,
das sich dann später zur Beuroner Kongregation entwickeln sollte. Dies war ohne Zweifel
eine schwere Brüskierung des Mutterklosters, von dem man ausgegangen war, und seines
Abtes, dessen Erwartungen aufs bitterste enttäuscht wurden. Was nun die Gründungsidee,
die als roter Faden das Buch durchzieht, anbelangt, so ist sie wohl im Kreis der Güntherianer
entstanden — ohne den Enthusiasmus der Güntherianer kein Beuron, urteilt Wenzel —,
als jedoch im Donautal die erstrebte Abtei entstand, im selben Jahr 1863, in dem auch
Günther starb, hatte sich die ursprüngliche Absicht über mehrere Stationen hinweg ver-

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