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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1971-72/0138
Neues Schrifttum

flüchtigt. Beuron wurde „eine Klostergründung im Geiste des hl. Benedikt" und nicht
Anton Günthers und seiner Freunde.

Soweit die Geschichte, die Wenzel mit wohltuender Unparteilichkeit vorlegte. Dabei
erschlossen ihm die Briefe nicht nur die Fakten, sie gestatteten ihm und nun auch dem Leser
einen hervorragenden Einblick in Wesen und Trachten der einzelnen Persönlichkeiten. Dies
gilt auch für den Freundeskreis um Günther. Religiosität, Frömmigkeit, Eifer für die Kirche
zeichnet sie ebenso aus wie ihre wissenschaftliche Ernsthaftigkeit und ihr selbstloses Eintreten
für ihren Meister, daheim und zumal auch in Rom, wo sie — wie auch Pappalettere — eine
Verurteilung zu verhindern trachteten. Wenzel bringt dafür weitere aufschlußreiche Details.
Unerquicklich nach wie vor die barsche Art, in der die Güntherianer durch ihre Gegner,
Kardinal Geissei etwa, bekämpft wurden, nicht weniger erfreulich dann die schließliche
Indizierung, die der Kirche mehr geschadet als genutzt haben dürfte. Doch auch auf der
anderen Seite ist nicht alles reiner Glanz. Auch da gibt es ein gerüttelt Maß an geistigem
Hochmut mit national-narzistischen Untertönen. So wird etwa die romantisch-verblasene
altdeutsche Redeweise, die an die Deutschtümelei des 19. Jahrhunderts erinnert, nicht dadurch
erträglicher, daß man an den Heliand anknüpfte. Auch im Streit der Konfessionen,
im letzten Jahrhundert so heftig und voller Mißverständnisse, war man nicht friedfertiger,
sollte doch der Güntherianismus das wissenschaftliche Rüstzeug liefern, mit dem der Protestantismus
zu schlagen war. Etwas rätselhaft bleibt auch der Realitätssinn der Güntherianer,
und wer sich darüber hinaus vergegenwärtigt, daß es in den fraglichen Jahren nicht nur um
moderne Wissenschaft oder „Jesuitismus" ging, sondern auch andere schwerwiegende Fragen
anstanden wie etwa die deutsche, Preußen und Österreich, Staat und Kirche, Staat und
Gesellschaft, Verfassungsfragen und nicht zuletzt bereits die soziale, der hätte in den vielen
Briefen gern einmal ein Wort gefunden, das über den politischen Standort dieses sich so
elitär gebenden katholischen Bildungsbürgertums Aufschluß gegeben hätte. Doch vielleicht
gehört das nicht zum Thema.

Was nun die Gründung Beurons anbelangt, konnte Wenzel eine ganze Reihe von Irrtümern
, Mißverständnissen, Fehlurteilen, Verzeichnungen wie auch Lücken in der bisherigen
Literatur über Beuron richtigstellen bzw. schließen. So in der Festschrift „Beuron 1863 bis
1963", Beuron 1963, oder in K. Th. Zingelers Schrift über „Katharina von Hohenzollern ...
Die Stifterin von Beuron", Kempten 1912. Namentlich neue Briefe der Fürstin aus St. Paul
und zumal der Briefwechsel der beiden Wolters mit Abt Pescetelli erlaubten die Korrekturen
. So ist die Fürstin nicht inkognito als Aloisia Pohl ins hl. Land gereist, vielmehr ist
Pohl der Name einer weiteren Reisebegleiterin. Die Sendung nach Deutschland erfolgte nicht,
um diesseits der Alpen eventuell eine Zufluchtstätte für das von den Ereignissen in Italien
gefährdete Mutterkloster zu schaffen, noch waren die deutschen Patres Feindseligkeiten
von Seiten ihrer italienischen Mitbrüder ausgesetzt, sondern war Folge bereits vorhandener
Absichten, die zudem den Plänen der resoluten, nun die Initiative ergreifenden
Fürstin entgegenkamen. Abt Pescetelli fungierte, obwohl von der Art der Entsendung
nicht gerade angetan, als Sendungsabt. Der Fehlschlag mit Materborn kann nun im
wesentlichen auf die Eifersucht des dortigen Weltklerus wie die Gleichgültigkeit der
bischöflichen Behörden in Münster zurückgeführt werden und nicht auf Pescetellis mangelnde
Unterstützung. Insbesondere kommt Wenzel zu einer entschieden positiveren Beurteilung
der römischen Äbte Pappalettere und zumal Pescetellis, zugleich der auch während
der Sendungszeit bestehenden Beziehungen zwischen den Wolters und ihrem Sendungsabt.
Bis ins Detail liegt nun auch vor, wie es zur Loslösung von St. Paul und zu einem eigenständigen
Beuron kam. Pescetelli war dabei lediglich der leidtragende, ja düpierte Teil und
nicht ein schuldhaft beteiligter.

Alles in allem ein gutes Buch, das sich überdies erfreulich leicht liest. Daß die zahlreichen
, vielfach erläuternden Anmerkungen, die man gern mitlesen und daher unter dem
Text haben möchte, zur Abwechslung einmal hinter jedem Kapitel folgen, hat dem Verlag
sicher einige Groschen gespart, sinnvoll ist es nicht. Begrüßenswert auch das Register.

Mainz Hugo Lacher

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