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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1973/0195
Besprechungen

die maßgebende oder zumindest tragende Schicht der abendländischen Kultur. Es hat
durch den Ertrag seiner Arbeit die geistliche und die adlige Oberschicht lange Zeit allein
erhalten, ohne selbst an dieser Kultur teilzuhaben. Das Bauerntum bestimmte also entscheidend
den Ablauf unserer Geschichte, die Bauern griffen jedoch nur selten handelnd
in diese ein. Wenn sie es taten, dann mit katastrophalen Folgen für sich selbst (Bauernkrieg
). Hier liegt einer der entscheidenden Gründe für die oft beklagte Fehlentwicklung
des politischen Bewußtseins in Deutschland, eine der Ursachen für die „Verspätung" unserer
Nation.

Der die fünfteilige „Deutsche Agrargeschichte" abschließende Band von Heinz Haus-
hofer ist der deutschen Landwirtschaft im „technischen Zeitalter" gewidmet. Haushofer
übernahm mit ihm keine leichte Aufgabe, denn in dem verhältnismäßig kurzen Zeitraum
von anderthalb Jahrhunderten, den seine Darstellung umspannt, hat die deutsche Landwirtschaft
wesentlichere und tiefgreifendere Veränderungen erfahren als in der langen
Periode zuvor.

Während die Bände II, III und IV von Abel, Lütge und Franz die Entwicklung auf
den Gebieten der Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und Agrarpolitik bis zum Ende des
„Revolutionszeitalters" getrennt heraufführen, wird sie nun in Band V für die Zeit vom
Wiener Kongreß bis zum 2. Weltkrieg zu einer Einheit verflochten. Dementsprechend werden
die politischen, wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen gleichermaßen berücksichtigt
. Kriege und Revolutionen, Persönlichkeiten und Erfindungen werden nach ihrem „eigenen
Wert" und nach ihrem Einfluß auf die Entwicklung der Landwirtschaft dargestellt, eingeordnet
und bewertet. Der Band ist in vier Kapitel unterteilt, die der politischen Gliederung
des Zeitraums entsprechen (1815-1848; 1848-1871; 1871-1914; 1914-1945). In jedem
dieser Kapitel werden die Schwerpunkte gesucht, die das betreffende Menschenalter charakterisieren
, insbesondere das Neue, zum ersten Mal Auftretende. Auch wurde versucht, die
roten Fäden der Entwicklung freizulegen, d. h. auf die Probleme zu verweisen, die gleichartig
, wenn auch im jeweiligen Gewand der wechselnden Generationen, immer wieder auftauchen
. Dagegen wurde nicht angestrebt, durch ein Zeitalter, das statistisch bekannt ist,
monographisch-statistische Querschnitte zu legen. Doch wird auch so das Vermischtsein
einer großen, zwingenden Entwicklung der Landwirtschaft mit gröbsten empirischen Störungen
dieser Entwicklung deutlich. Das heißt letzten Endes, daß auch der hier behandelte
Teilbereich der „großen" Geschichte von Menschen gemacht worden ist, die in diesem Band
zum Sprechen gebracht werden. Man spürt, daß dem Verfasser daran gelegen war, ein
lesbares Buch zu schaffen. Dies ist ihm voll und ganz gelungen.

Trotzdem seien zwei Anmerkungen erlaubt - eine generelle und eine spezielle: Ist
es heute wirklich noch möglich, von der Gefahr, die Geschichte... vorwiegend aus heutiger
Sicht zu betrachten und damit den vergangenen Generationen ihr eigenes historisches
Recht zu versagen" zu sprechen? Welche Funktion hat denn die Geschichte für uns heute?
Ist der Nationalsozialismus wirklich „durch die Weltwirtschaftskrise an die Macht gekommen
"? Selbst in den konservativsten Schulbüchern steht es heute anders. Und eine Bitte:
In weiteren Auflagen wäre - so schwer er zu leisten ist - ein kurzer Abriß der Entwicklung
in den beiden deutschen Staaten seit 1945 eine große Hilfe.

Um es abschließend nochmals zu betonen: Die „Deutsche Agrargeschichte" ist unentbehrliches
Nachschlagewerk bzw. verpflichtende Lektüre für jeden, der sich mit unserer
ländlichen Vergangenheit beschäftigen möchte. Es liegt in der Natur der Sache, daß Detailinformationen
nicht für alle Gebiete und Zeiträume der deutschen Agrargeschichte gegeben
werden können. Spezielles zu Hohenzollern wird man zum Beispiel vergebens suchen. Es
sollen Grundsachverhalte geklärt, die großen Abläufe und Zusammenhänge gezeigt, Raster
gegeben, Vergleiche ermöglicht und weitere Arbeiten angeregt werden. Dies ist voll geglückt
. Spezielleres wird der Interessierte Einzeluntersuchungen, die in reichlichem Maße
angeführt sind, oder durch eigene Arbeit den Quellen entnehmen müssen.

Eine isolierte Betrachtung der deutschen Agrargeschichte ist unmöglich - dies wird
beim Studium der einzelnen Bände des gerade vorgestellten Werkes mehr als deutlich. Wie

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