http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1977/0145
Sigmaringen am Ende des 16. Jahrhunderts
Gegenstand der Zeichnung ist das Donautal von Sigmaringen bis Riedlingen.
In steilem Winkel von oben - sozusagen aus der Vogelschau - fällt der Blick
aus südöstlicher Richtung auf den Fluß und die angrenzenden Landstriche mit den
in die Donau mündenden Nebenflüssen Lauchert und Biber (links der Donau) sowie
Schwarzach, Ostrach und Ablach (rechts der Donau). Teils ebenfalls steil von
oben, teils in Seitenansicht gibt der Maler die Siedlungen wieder. Dicht aneinander
gereihte Bäume und Baumgruppen kennzeichnen die Wälder, deren Ausdehnung
wohl ziemlich genau der Wirklichkeit entspricht. Eher nur angedeutet sind
die Kulturarten im waldfreien Gebiet, Äcker durch schematisch gezeichnete Flurblöcke
(braun-beige mit durch Striche markierten Flurstreifen), Wiesen, Weide
und Sumpf durch leichte grün-gelbliche Flächenfärbung. Sorgsam werden auch
neben den Siedlungen Gebäude und Bauwerke außerhalb derselben berücksichtigt,
insbesondere Brücken, Mühlen, Kapellen, ebenso sonstige topographische Gegenstände
wie Bildstöcke, Weg- und Sühnekreuze. Aufgeklebte Schildchen halten in
jedem Fall die Namen von Orten, Wegen und Gewässern fest; Flurnamen findet
man dagegen kaum eingetragen.
Markierungen von Nummer 1 an der Ostrach bei Granheim bis 58 an der Donau
nahe Beuren folgen der von den Truchsessen als Inhaber der Herrschaft
Friedberg-Scheer beanspruchten Hochgerichtsgrenze. Die von Hohenzollern prätendierte
Grenze seiner Grafschafts- und damit Hochgerichtsbefugnisse beginnt
beim Biberursprung (bezeichnet mit A), verläuft dann entlang der Biber bis zu deren
Mündung in die Donau (B), von dort donauaufwärts bis zur Mündung der
Ostrach in die Donau (C) und schließlich die Ostrach aufwärts über die truchses-
sische Markierung Nummer 1 hinaus. Das strittige Gebiet umschloß somit die
Stadt Scheer, den Scheerer Wald links der Donau, die Dörfer Blochingen und En-
netach und das Osterfeld. Als Enklave ausgenommen blieb die Stadt Mengen. Sie
besaß innerhalb der Stadtmauern und eines im Abstand von etwa 100 bis 200 Metern
um die Stadt gelegenen Etterbereichs selbst den Blutbann 7. Auf der Karte ist
dieser Bereich allerdings nicht gekennzeichnet.
Die Truchsessen gewannen den Prozeß in der Hochgerichtsfrage. Das Reichskammergericht
hielt ihren Rechts- und Grenzanspruch für besser begründet als
den der Grafen von Hohenzollern. Der umstrittene Bezirk wurde nicht hohenzol-
lerisch, was sich noch an der früheren Landesgrenze zwischen Hohenzollern und
Württemberg und darüber hinaus an der bis Ende 1972 gültigen Kreisgrenze zwischen
den Kreisen Sigmaringen und Saulgau ablesen ließ.
Unsere Karte ist undatiert. Auftraggeber war Hohenzollern. Die ebenfalls
nicht datierte Beweisschrift des Grafen Karl von Hohenzollern 8, der sie beilag,
wurde am 2. März 1593 dem Gericht in Speyer präsentiert, womit dieser Tag den
äußersten terminus ante quem darstellt. Vermutlich ist die Karte indessen nicht
erst kurz vor Fertigung und Einreichung dieser Schrift entstanden, sondern schon
einige Jahre früher. Im Text der Beweisschrift wird die Karte mehrmals erwähnt.
Der erste Hinweis ist für ihre Entstehung und Datierung aufschlußreich. Es heißt
hier: „Es ist aber.. . auch aus dern beiliegenden ad vivum depingierten und durch
den Commissarium beschribenen Augenschein (so dem Rotulo Attestationum Vo-
7 Mayer (wie Anm. 5), S. 213-216.
8 Hauptstaatsarchiv Stuttgart C3 H 5127, Beweisschrift betr. Hohe Obrigkeit, Zoll und
Geleit.
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