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Kuhn-Rehfus
9. Oktober 1779
Beschwerdeschreiben der Stadt Haigerloch an das fürstlich hohenzollern-sigmarin-
gische Oberamt in Haigerloch gegen die dortigen Juden.
Gravatorial-Libell58 von gemeiner Statt Haigerloch gegen dasige Judenschaft.
Wohlgehohrner, Hochedlgebohrne, Hochedlgestreng und Hochgelehrte, Hochgeehrtest
und Hochgeehrte Herren!
Zu unterthäniger Folge des von einem Hoch fürstlichen Oberamts erhaltenen
Auftrages sehen wir uns verpflichtet, all diejenige Beschwehrungs-Puncten, welche
wir gegen ein hiesige Judenschaft bey einem Hochfürstlichen Oberamte vor
einigen Tage mündlichen angebracht, in Unterthänigkeit hiemit schriftlichen vorzulegen
und zwar:
1. finden wir gleich anzuführen nöthig, daß selbe sich bereits so stark vermehret,
daß sie nicht nur allein das Holz, woran seiner Zeit ein groser Mangel und
Abgang sich ergeben wird, sondern auch all andere Victualien m, welche in die
Statt geführet oder getragen werden, überhaupt und dergestalten vertheuret
haben, daß der Burger solch alles um einen ganz überspannten Preiß zu kaufen
in die harte Nothwendigkeit versezet ist. So schadhaft nun also in diesem Fach
die Juden sind, eben so wenig Vortheill bringen sie der Statt, wenn sie
2. mit oder ohne Urkund solche Haab und Waar, besonders aber alte Pferdt herein
schleppen, die manchmal nicht mehrer gelten, als daß sie dem Meister zum
Abdeken überliefert werden Sölten. Diese treiben sie nichts desto weniger auf
die allgemeine Weyd zum Schaden und Nachstand des Bürgers aus und denken
nicht einmal daran, daß sie ein Weydgelt davon bezahlen und mit der Statt
sich diesfalls abfinden möchten. Zugeschweigen daß
3. durch dergleichen Unordnungen noch das gröste Unglük entspringen und es gar
leichtlich geschehen könnte, daß schädliche Seuchen, gefährliche Krankheiten
und derley zu besorgende Fälle mehr hiedurch entstehen dürften. Und ohn-
erachtet es
4. in dem Huldigungs-Recess de anno 1724 im 13 ten Artikul gleichsam durch ein
unverbrüchliches Gesäze fest gestellet worden, daß keinem Juden andere Gattungen
der Waaren zu verkaufen und außer dem Hause zu verschließen erlaubt
seyn solle als alte Kleider und alte Waare, nichts desto weniger erstreket sich
die unersättliche Wucherbegierd derselben so weit, daß sie nicht nur allein alle
Gattungen der Waaren zu verkaufen pflegen, sondern auch sich in hiesiger
Statt sowohl als auf dem Land in die Häuser eindringen und Leichtgläubige,
Unverständige betrügen, bevortheillen und hintergehen, wodurch denen Krämer
, Schloßer, Kupfer- und Hufschmiden und anderen Profeßionisten60, so
von ihrem Gewerbe Weib und Kinder ernähren und die gewöhnliche Prae-
standa 61 abführen müßen, ein unersäzlicher Schaden und empfindlicher Verlurst
zugehet. Besonders aber
Beschwerdeschrift.
Lebensmittel.
Berufausübende, Handwerker.
Abgaben.
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