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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0058
Kuhn-Rehfus

1833 erhielt das Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen eine Verfassung. Sie
garantierte in § 19 Gewissensfreiheit für alle Religionen, gewährte aber nur den
Christen den vollen Genuß der staatsbürgerlichen Rechte und das Recht der öffentlichen
Ausübung des Religionskultus. Die Angehörigen anderer Religionsbekenntnisse
wurden nur insoweit an diesen Rechten beteiligt, als ihre Religion sie an
der Erfüllung der bürgerlichen Pflichten nicht hinderte. So waren auch nur Christen
als Landtagsabgeordnete wählbar. In Ausführung dieses Paragraphen erließ
die Regierung im Jahr 1837 das Gesetz über die staatsbürgerlichen Verhältnisse
der israelitischen Glaubensgenossen ™. Es lehnte sich eng an das entsprechende
württembergische Gesetz von 1828 an und hatte das Ziel, die „Ausbildung und
Befähigung dieser Staatsangehörigen zum Genüsse der bürgerlichen Rechte möglichst
zu befördern". Das bedeutendste Ergebnis dieses Gesetzes war, daß die Juden
dadurch zu sigmaringischen Untertanen wurden und aufhörten, nur Schutzverwandte
zu sein. Sie waren allen bürgerlichen Gesetzen unterworfen und hatten
alle Pflichten und Leistungen der übrigen Untertanen zu erfüllen.

Die vollen Staatsbürgerrechte und eine endgültige Gleichstellung mit den
Christen wurden aber noch nicht gewährt. So wurden die Juden beispielsweise in
ihrer Wohngemeinde nicht automatisch als vollberechtigte Aktivbürger mit Anteil
an allen Gemeindenutzungen und mit Wahlrecht bei den Gemeindewahlen aufgenommen
, sondern lediglich als Beisitzer mit minderen Rechten, wie dies auch bei
manchen christlichen Ortseinwohnern der Fall war. Jedoch konnten sie das Aktivbürgerrecht
unter den allgemein gültigen Bedingungen des 1837 erlassenen Bürgerrechtsgesetzes
erwerben, und sie konnten sich, ohne Aktivbürger zu sein, in den
Genuß der bürgerlichen Nutzungen (z. B. Genuß der Allmende und Gemeindegüter
, Weidenutzung, Holzbezug, Sammeln von Laubstreu und Leseholz, Beteiligung
an den Uberschüssen der Gemeindekasse und anderes mehr) einkaufen.
Juden, die den Schacherhandel betrieben, waren innerhalb des Fürstentums nicht
freizügig, sondern an ihren Wohnort gebunden, während Juden mit anderen
Berufen in jeder Gemeinde des Fürstentums das Beisitz- oder Bürgerrecht erwerben
konnten. Weil man den Schacherhandel - Hausierhandel, Trödelhandel
mit alten Waren, Leihen auf Faustpfänder, Mäklerei und Viehverstellen - unter
allen Umständen einschränken wollte, wurde seine Ausübung nur noch solchen
Juden erlaubt, die im Stichjahr 1836 schon zwanzig Jahre alt gewesen waren. Für
sie blieben auch alle bisherigen, den Schacherhandel betreffenden einschränkenden
Verordnungen bestehen. Außerdem erhielt kein ausländischer Schacherjude das
sigmaringische Staatsbürgerrecht. Ausländischen Juden mit anderen Berufen dagegen
wurde es verliehen, wenn eine Ortsgemeinde ihnen das Ortsbeisassenrecht
freiwillig zugesichert hatte. Nahm ein Jude nach der Ubersiedlung in eine andere
Gemeinde wieder den Schacherhandel auf, verlor er das Gemeindebürgerrecht und
machte sich außerdem strafbar. Einer weiteren Beschränkung unterlagen die Juden
im Güterhandel, der ihnen grundsätzlich verboten war. Sie mußten die erworbenen
Liegenschaften vor einem Wiederverkauf mindestens drei Jahre lang selbst bewirtschaftet
, die Häuser ebenso lange bewohnt haben. Schließlich blieben auch die
staatlichen Heiratsbewilligungen bestehen.

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" Verordnungs- und Anzeigeblatt für das Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen vom
20. August 1837, Nr. 34, S. 245-255.

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