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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0065
Totschlag oder Ermordung eines Juden

nicht das Urteil, so vermögen wir zu der Sache selbst und ihrem Ausgang nichts
Bestimmtes zu sagen. Manches scheint dafür zu sprechen, daß Schanz wohl als
Totschläger weggekommen ist. Sein Geständnis, den Juden im Affekt getötet zu
haben, und das Abstreiten jeder Tötungsabsicht würden wohl auch einen heutigen
Richter beeindrucken. Selbst wenn Schanz seinen Gläubiger zu sich in seine Wohnung
bestellt hätte, so würde das allein und für sich wenig für eine Tötungsabsicht
sprechen. Die „Totschlags-Theorie" kann dadurch nicht als widerlegt angesehen
werden. Auch wenn die Tötung mittels einer kurz vor der Tat entliehenen Hacke
bewirkt worden wäre, wie das eine Schriftstück behauptet, würde es eine am
Grundsatz des „in dubio pro reo" orientierte Gerichtsbarkeit wahrscheinlich nicht
für bewiesen ansehen, daß der Täter die Hacke wirklich zu dem Zwecke, um den
Juden damit zu töten, ausgeliehen hat. Die Hacke lag - vielleicht - eben da und
wurde damit das Instrument für die Tötung des Juden, aber Vorsatz braucht nicht
zwingend angenommen werden.

In Betracht zu ziehen wäre noch folgendes: Ist der Wurf eines Buchenscheits an
den Kopf des Juden und das darauf folgende die Treppe Hinunterwerfen des
wahrscheinlich bewußtlosen Opfers als ein einziger Tatbestand zu werten, der als
Reaktion auf die Beleidigungen durch den Juden anzusehen ist, oder muß man den
Wurf mit dem Buchenscheit und den Wurf die Stiege hinunter nicht als zwei
getrennte Tatbestände auffassen, von denen nur der erste als Reaktion auf die
Beleidigung angesehen werden kann?

In einem ganz anderen Licht würde der Fall zu sehen sein, wenn die Behauptung
, der Helfer habe die Magd seines Vaters ermordet, zweifelsfrei wäre. Diese
Untat konnte ja nur wenige Jahre zurückliegen. Es war deswegen riskant für den
Ankläger, diese Behauptung aufzustellen. Der Vater des Helfers war doch wahrscheinlich
in Binsdorf, dem Geburtsort des Schanz, wohnhaft, so daß dieser Mord
in nächster Nähe von Hechingen begangen worden wäre. Sowohl wegen der
Nähe des Tatorts wie auch deswegen, weil jene Tat nur ganz wenige Jahre zurücklag
, mußte sich verhältnismäßig leicht untersuchen lassen, ob diese Anschuldigung
des Jörg Schanz begründet war oder nicht. Im ersteren Fall würde die
Tötung des Juden im Mai 1560 ganz anders zu bewerten sein: Für den Helfer des
Stadtpfarrers von Hechingen würde dann ein aus Habgier begangener Mord nicht
länger als ein persönlichkeitsfremdes Delikt angesehen werden, sondern Schanz
müßte dann als ein kriminell veranlagter Mensch betrachtet werden. Gerade deshalb
ist es wichtig, daß die Beschuldigung, schon früher einen Mord begangen zu
haben, ohne Beweisstücke erhoben worden ist. Es stellt sich aber die Frage, warum
bei der Untersuchung jenes angeblichen Mordes kein Verdacht auf ihn gefallen
war oder auf welche Weise er sich von einem solchen Verdacht hatte reinigen
können.

Der eigentliche Prozeß gegen Jörg Schanz dürfte vor dem Geistlichen Gericht
des Bischofs von Konstanz geführt worden sein. Es ist nicht anzunehmen, daß
dieses Gericht den jungen Geistlichen zum Tode verurteilt hat. Die Verhängung
einer längeren Freiheitsstrafe erscheint als wahrscheinlicher.

Da sich die Urphedebücher des Geistlichen Gerichts des Bistums Konstanz leider
nicht erhalten haben - während die des Bistums Speyer zum Beispiel für einen
längeren Zeitraum vorliegen - können wir leider nicht nachprüfen, ob Schanz
wirklich mit einer Freiheitsstrafe davongekommen ist. Ob er danach noch als

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