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bereits eine Verfassung gehabt, bevor es in den meisten anderen Staaten eine solche
gegeben habe, und bevor die Bundesakte von 1815 in einer berühmten und umstrittenen
Formulierung verkündet hatte, daß in den Bundesstaaten eine landständische
Verfassung stattfinden sollte3. Über eine Modifikation des Landesvergleichs
und eine Neuwahl der Deputierten wurde dann auch die Landesverfassung
1835 weiter entwickelt.
Auf den ersten Blick erscheint es merkwürdig, daß eine politische Regelung aus
der Schlußphase des Alten Reiches noch im 19. Jahrhundert als Verfassung reklamiert
werden konnte. Liegt doch zwischen der altständischen Welt des Heiligen
Römischen Reiches und den deutschen Verfassungen des 19. Jahrhunderts die
breite Scheide der Zeit der Revolution und der Napoleonischen Kriege, mit den
bürokratischen Neuordnungen in den deutschen Mittelstaaten und der gewaltigen
territorialen Flurbereinigung zwischen dem Reichsdeputationshauptschluß von
1803 und dem Ende des Alten Reiches 1806. Allerdings ist das Beispiel Hohen-
zollern-Hechingen nicht ganz so singulär, wie es auf den ersten Blick erscheint -
vielfach wurden politische Ordnungen des Alten Reiches in die Zeit des Deutschen
Bundes hinübergenommen, vor allem in mehreren norddeutschen Staaten4, wo die
Zäsur keineswegs so abrupt war wie im Süden mit seinen aufgeklärt-despotischen
gekrönten und ungekrönten Reformern. Man braucht nicht das altständische
Mecklenburg zu bemühen, wo sich ein starker Adel praktisch die ungeteilte Macht
vom Staate erkämpft hatte 5 — eher wären die Verfassungen der mitteldeutschen
Kleinstaaten zu vergleichen, die sich ähnlich Hohenzollern auch territorial einigermaßen
stabil ins 19. Jahrhundert gerettet hatten; Verfassungen, die gegenüber
der fortschreitenden Entwicklung zunehmend altmodisch erschienen.
Während es sich dort um alte und gewachsene ständische Verfassungen handelte
, die dann nach 1815 meist leicht modifiziert weiterbestanden, war die Situation
in Hohenzollern-Hechingen doch etwas anders. Hier hatten die Fürsten
Friedrich Wilhelm (1671-1730), Friedrich Ludwig (1730-1750) und - in abgeschwächter
Weise - Josef Wilhelm (1750-1798)" bis weit in das letzte Viertel
des 18. Jahrhunderts hinein einen scharf absolutistischen Kurs zu steuern ver-
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3 Huber: Verfassungsgeschichte 1, S. 640-645. W. Mager: Das Problem der landständischen
Verfassung auf dem Wiener Kongreß 1814/15. In: Historische Zeitschrift 217.
1973, S. 296-346. B. Wunder: Landstände und Rechtsstaat. Zu Entstehung und Verwirklichung
des Art. 13 DBA. In: Zeitschrift für Historische Forschung 5. 1978,
S. 139-185. K. O. Freiherr von Aretin: Bayerns Weg zum souveränen Staat, Landstände
und konstitutionelle Monarchie 1714-1818. 1976, S. 120-174, 235-263. Ders.:
Metternichs Verfassungspläne 1817/1818. In: Historisches Jahrbuch der Görresgesell-
schaft 74. 1955, S. 718-727.
4 Huber: Verfassungsgeschichte, S. 91 f. R. Vierhaus: Von der altständischen zur Repräsentativverfassung
. Zum Problem institutioneller und personeller Kontinuität im 18.
und 19. Jahrhundert. In: Der moderne Parlamentarismus und seine Grundlagen in der
ständischen Repräsentation, hrsg. v. K. Bosl. 1977, S. 177-194.
5 M. Hamann: Das staatliche Werden Mecklenburgs (Mitteldeutsche Forschungen. 24)
1962.
• Zur Charakteristik: Kallenberg: Fürstentümer, S. 18-31.
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