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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1979/0072
Kallenberg

gleichen Standtpunkte in unseren irdischen und überirdischen Anschauungen™. Zweifellos
gibt es sowohl in politischen wie in kirchlichen Fragen eine weitgehende Übereinstimmung
unter den beiden Korrespondenten, die ja erst nach der Rückkehr Karl Antons
nach Sigmaringen 1871 in dauernden unmittelbaren Kontakt treten. Lehners kirchenkritische
Haltung sitzt offensichtlich tiefer als die Karl Antons, das läßt sich auch für die
entscheidenere liberale Position sagen, die Lehner einnimmt und die ihn mit einem
lebendigen Mißtrauen gegen die preußisch-deutsche Nationalpolitik erfüllt, während
sich Karl Anton eher an der Person Bismarcks reibt.

Ein besonderes Problem war das Verhältnis zwischen Lehner und Mayenfisch.
Der Fürst hat Lehner von Anfang an auf seine besondere Berufsstellung und die
Rücksichten, die auf Mayenfisch genommen werden müßten, hingewiesen. Neben dem
Amt des Bibliothekars, so heißt es im ersten Brief30, würden Sie noch jenes eines
Conservators meiner nicht unbedeutenden Kunstsammlungen zu übernehmen haben,
wobei aber bei vollständiger Selbständigkeit^ als Bibliothekar - der nur meiner Person
dienstlich unmittelbar untersteht - Sie sich eine Direction gefallen lassen müßten, die sich
gegenwärtig in einer Hand befindet, die ich nicht beseitigen kann. In der Instruktion für
Lehner ist davon die Rede, »daß bei dem Alter des Intendanten eine allmähliche
Verrückung des Conservators in dessen Stellung stattfinden muß«32. Offensichtlich hat
es Lehner an der von ihm erwarteten Loyalität im Umgang nicht fehlen lassen. Aber ein
Jahr nach seinem Dienstantritt konnte er es sich schon leisten, seine Auffassung
gegenüber einer »trödlerhaften Werthschätzung der Kunstgegenstände« und gegen die
»Sucht, den Leuten mittelalterlichen Sand in die Augen zu streuen«, kategorisch
durchsetzen33. Es ist das Verdikt eines positivistisch eingestellten Wissenschaftlers
gegenüber dem schwärmerischen, unhistorischen Umgang mit den Zeugnissen der
Vergangenheit: statt einer bescheidenen, streng historischen, wissenschaftlichen Aufstellung
ein pompöser, buntscheckiger, verwirrender Trödlerladen34. Hier wußte Lehner den
Fürsten, dem es ja ganz wesentlich um die wissenschaftliche Anerkennung seines
Museums zu tun war, ganz auf seiner Seite. Das gilt im gleichen Sinn auch von
Mayenfischs mit Trägheit und Bequemlichkeit behafteter hyperkirchlichen Sympathie34,
über die sich Karl Anton und Lehner gemeinsam lustig machten.

Der frühe Hinweis Karl Antons auf die klerikalen Bestrebungen rückt eine kirchliche
Bewegung ans Licht, die sich in Sigmaringen mit den Begriffen Borromäusverein,
Fidelishaus und Gymnasium verbindet. Seit der Revolution hat kirchliches Wirken in der
Öffentlichkeit zugenommen, zumal mit der Zugehörigkeit zu Preußen der Kirche ein
höheres Maß an Selbstbestimmung eingeräumt wurde als in dem bis dahin in den beiden

29 Ebd., u. a. schreibt Karl Anton noch: »Es liegen mir im Ganzen über 20 Bewerbungen um diese
Stelle vor - darunter von Personen, deren Namen schwer wiegen. Wenn ich aber betrachte, daß
19 unter ihnen Akatholiken sind und Sie als der einzige katholische Bewerber auftreten, so mußte
ich in Ansehung sehr vieler mitwirkender Ursachen mich an den Catholiken halten. Für meine
Person vollkommen vorurtheilslos, bin ich es doch meinem Hause und den umgebenden
Verhältnissen schuldig, umso mehr auf den Catholiken mein Augenmerk zu richten, als dieser
vermöge seines wissenschaftlichen Standpunkts mit an der Spitze der Bewerbungen steht; und
dieser sind Sie, geehrter Herr Dr. Lehner.«

30 Karl Anton an Lehner, 19.1. 1864, wie Anm. 3.

31 Die vorhergehenden beiden Worte sind unterstrichen.

32 Abgedruckt bei Kaufhold (wie Anm. 2) S. 220.

33 Lehner an Karl Anton, 27.7. 1865, abgedruckt ebd. S. 221 f.

34 Karl Anton an Lehner, 2.4. 1867, wie Anm. 3.

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