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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1979/0144
Bumiller

Dies alles betraf Unregelmäßigkeiten in den Beziehungen der Dorfbewohner untereinander
oder mit Durchreisenden, in die aber die herrschaftliche Rechtsprechung für
sich recht gewinnbringend eingriff. Eine andere Gruppe von Vergehen - gegen Zoll,
Steuern, Fronen - betreffen direkt das Verhältnis zur Herrschaft und geraten in die Nähe
politischen Handelns (Ungehorsam). Dies ist wohl noch wenig deutlich, wenn beispielsweise
Sebastian Speidels Mädel Kirschwasser schwarz verkauft (1764) oder wenn der
Beck Caspar Bosch Mehl außer Lands mahlen läßt (1753, Strafe 5 fl.), obwohl er in die
herrschaftliche Mühle gebannt ist. Aber wenn es um das »Frisieren« von Zehntabgaben
geht, dann hat das mit der Verweigerung feudaler Abgaben zu tun. Der Großzehnte oder
Heuzehnte stand dem Kirchenpatron zu, das war für Jungingen der Fürst selbst. Jährlich
nach der Ernte zählten die vereidigten Zehntgänger auf dem Feld die zehnte Garbe aus.
1772 hatten Alt Christian Bumiller, der Säger, Caspar Bumiller, Paul Müller, und Caspar
Riester die Zehntgarben kleiner gemacht. Anton Bumillers Sohn wollte den Zehntgänger
mit 3 Batzen bestechen. Auch Paul Bumillers Witwe wollte sich durchmogeln, jedoch
vom Zehntgänger wohl an seine Pflichten erinnert, rief sie nur noch aus, sie scheiße ihm
in seine Pflichten.

Direkte Ungehorsamsstrafen zog es nach sich, wenn die Untertanen sich
weigerten zu fronen. Solche Fälle kommen häufig vor. 1756 werden Philipp Schuler,
Michel Speidel, Christian und Anton Bumiller, Leopold Ruef, Matheis Kohler und
Heinrich Haiß um je 1 fl. 20 Kreuzer gestraft, weil sie zum Fronen nicht erschienen sind.
1757 müssen 20 Junginger Sondertage fronen. Der Säger Michel Speidel ist auch hierzu
wohl nicht erschienen (Strafe 3 fl. 20 Kreuzer). Offensichtlich eskalierte der Ungehorsam
: 1758 weigerten sich wieder Fronholz zu fahren: Georg Seitz, Heinrich Haiß,
Michel Speidel, Johann und Paul Bumiller; Hans Martin Riester, Gabriel Deckel, Mathes
Kohler, Franz Bosch, Luzian Bumiller, Christian und Anton Bumiller. Auch die Strafe
steigerte sich: je 10 fl. 1759 erschien Mathes Kohler erneut nicht beim Fronen, 1762 trifft
die Fronstrafe neun andere Männer. Betrachtet man die Namenslisten der Verweigerer
von 1756 und 1758 so fällt auf, daß es sich vorwiegend um Handwerker handelt: der
Säger Michel Speidel, der Weber Matheis Kohler, die oberen Säger Christian Bumiller
und Consorten u. a. Möglicherweise besteht zwischen dem Bewußtsein des Handwerks
als »Selbständigem« und seinem politisch renitenten Verhalten ein Zusammenhang. Dies
würde jedenfalls dem Befund entsprechen, daß der alte Mittelstand, die Handwerker, im
19. Jahrhundert häufig zum politisch radikalen Flügel zählten. Ob diese Serie der
Fronverweigerung von 1756 bis 1762 evtl. im Zusammenhang mit dem Untertanenprozeß
um die freie Pirsch stand, konnte ich nicht ermitteln; eine Verbindung erscheint mir
jedoch wahrscheinlich.

6. Puncto Sexti

Verstösse gegen die herrschende Sittlichkeit, sexuelle Verfehlungen, möchte ich in einem
gesonderten Kapitel behandeln, weil man ihnen die feudale Abhängigkeit der Untertanen
bis ins Innenleben hinein verfolgen kann. Verfehlungen sind diese Fälle nur vor dem
Raster der herrschenden Sexualmoral. Wenn man sich vor Augen hält, daß auch im 18.
Jahrhundert die Pubertät mit 15/16 Jahren einsetzte, das Heiratsalter der Männer aber bei
25 Jahren lag, dann kann man sich den sexuellen Notstand lebhaft vorstellen. Sexuelle
Betätigung war aufs Geheime, Dunkle, Verborgene verwiesen und trug dabei von
vorneherein den Stempel des Schlimmen, Bösen. Das Natürliche war zur Sünde erklärt
worden.

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