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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1979/0145
Junginger Audienzprotokolle 1751-1775

Solche natürliche Lebensäußerungen wurden durch die ganze Hierarchie der Autoritäten
hindurch überwacht: den Vater (Ermahnung, Verbot), den Pfarrer (Moralpredigt,
Beichte), den Vogt (Anzeige), die Herrschaft (Bestrafung), die Dorfgemeinschaft als
Öffentlichkeit (moralische Verurteilung). Da die Verdrängung der Sexualität beim
Bauernstand nicht so schnell fortschritt wie im städtischen Bürgertum seit Beginn des 18.
Jahrhunderts, bestand auf dem Dorf stillschweigend (und besteht bis heute fort) eine
zweite Ebene der Moral, auf der erlaubt war, was eigentlich verboten ist - solange es
nicht ins Auge fiel. Hatte die erotische Annäherung zweier junger Leute aber Folgen
(eine Schwangerschaft war das sichtbare, öffentlich gewordene Zeichen), dann trat die
moralische und juristische Maschine in Bewegung.

Wo sich die AP solcher Fälle annahmen, versteckten sie die Dinge hinter lateinischen
Begriffen. So stehen solche Protokollabschnitte unter den Stichworten Fornication
(Unzucht) oder Imprägnation (Schwängerung). Während man über die Fälle von
Bestrafung im letzten Kapitel teilweise noch schmunzeln kann - hier vergeht es einem
schließlich.

In den 24 Jahren, die die AP wiedergeben, werden 25 Fälle sexueller Vergehen
bekannt, eben diejenigen, die wegen ihres Zutagetretens angezeigt wurden. Eine
uneheliche Schwangerschaft ließ sich in der Regel nicht vertuschen. Solche Fälle zeigten
sich von selbst an. Unter den 99 Verehelichungen im untersuchten Zeitraum gab es
jedoch nur 5 Paare, die »heiraten mußten«. Hingegen gab es 13 weitere Fälle von
Imprägnation, wo die Beteiligten nicht heirateten. Meistens betraf dies junge Männer,
die auswärts (auf der Wanderschaft) ein Mädchen unehelich beschlafen hatten.

Beliebt schienen bei den Junginger Burschen die Pfarrmägde gewesen zu sein.
Katharina Hippin, die neun Jahre in Jungingen Pfarrmagd gewesen war, ist vom
Schreinersohn Egidus Riester, den wir bereits kennen, schwanger (1762), und der
Zimmergeselle Paul Müller wird angezeigt, er sei bei der jetzigen Pfarrmagd Catharina
Bogenschützin gelegen (1762).

Ein Fall von 1763 erregte in Jungingen Aufsehen. Rosina Boschin, die beim Kloster
Stetten in Diensten war, will von Lorenz Schuler schwanger sein. Der gibt zu, mit ihr
geschlafen zu haben, bestreitet aber, Vater des Kindes zu sein. Er erhält 14 Tage Zeit, um
dies zu beweisen. Eva Haißin, Matheis Hennenlotters Weib, tritt auf und erzählt, auch
Conrad Bumiller habe bei Rosina geschlafen, der sei ihr aber nicht so lieb. Rosina
bestreitet dies. Da Lorenz Schuler nichts weiter beweisen kann, wird er zum Vater
deklariert, sein Vater Joseph muß für die Alimente aufkommen.

Derselbe Lorenz Schuler begegnet uns noch ein zweites Mal. Der Meyer vom Weiler
gibt 1766 an, seine Tochter sei schwanger, Lorenz Schuler sei mitschuldig (!). Im Jahr
darauf heiratet er schließlich ein drittes Mädchen, erhält aber eine erhöhte Strafe, weil er
sich schon zweimal puncto sexti verfehlt habe.

Lorenz Riester hatte ein Mädchen in Lauterbach geschwängert (1768). Das Kind ist
aber gestorben, schreibt der Protokollant erleichtert. Dieser Fall war damit erledigt. Was
mit Frauen geschah, die mit ihrem Kind allein gelassen wurden, geht nur aus wenigen
Fällen hervor. Für Frauen, die unter solcher Sexualmoral sowieso stärker zu leiden
haben, fällt die Strafe jeweils noch härter aus, weil sie zusätzlich moralisch erniedrigt
wurden. Man denke nur an den Strohkranz einer schwangeren Braut bei der Hochzeit.
Während man die Männer diskret mit einer Geldstrafe abfertigt, wird die sittliche
Verfehlung der Frau öffentlich angeprangert: Juliana Bumillerin ist wegen liederlichem
Verhalten auf dem Markt in Hechingen mit Schlägen gezüchtigt worden. 1764 wird
wiederholt der liederliche unanständige Lebenswandel der J. Bumillerin angezeigt, die

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