http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1980/0154
Werner
Leon Schmalzbach Hechingen, den 14. Dezember 1938.
An den
Herrn Bürgermeister
der Kreisstadt Hechingen.
Nach der Verordnung vom 17. August 1938 erstatte ich hiemit die schriftliche Anzeige,
daß ich außer meinem Vornamen Leon den weiteren Vornamen Israel führen muß.
Ich bitte um Eintragung in die Standesamtsregister der Gemeinde Hechingen. Da mein
Geburtsort Jaroslau in Polen liegt, erscheint es zweifelhaft, ob es aus devisenrechtlichen
und anderen Gründen möglich ist, die Eintragung rechtzeitig in Jaroslau vornehmen zu
lassen. Ich habe am 30. Dezember 1919 vor dem Standesamt Hechingen geheiratet. Bei
dieser Gelegenheit habe ich meinen Geburtsschein eingereicht, der sich bei den betr.
Akten befinden muß. Ich übergebe gleichzeitig einen weiteren Geburtsschein, den ich
nach Vornahme der Ergänzung meines Vornamens zurück erbitte.
Leon Schmalzbach
Lehrer i. R.l2}
Am 14. Dezember 1938 unterzeichnete er den „Antrag auf Ausstellung einer
Kennkarte" noch mit Leon Schmalzbach und gab als Beruf Lehrer i. R. Rabbinatsverwe-
ser an. Die am 1. Februar ausgestellte Kennkarte trug schon den Schriftzug Leon Israel
Schmalzbach.
Hierzu möchte ich noch folgendes Detail mitteilen. Auf dem „Antrag auf Ausstellung
einer Kennkarte", den Schmalzbach handschriftlich ausfüllte, verneinte er den
Besitz eines Reisepasses und eines Staatsangehörigenausweises. Von anderer Hand
wurde eingetragen bzw. eingestempelt: Reisepaß? „ja" ausgestellt am „24. Juli 1933"
von „Dem Bürgermeister als Ortspolizeibehörde"; Staatsangehörigkeitsausweis? „ja"
ausgestellt am „12. 1. 1939" von „Preuß. Reg. Präs. Sigmaringen".124
Die von der Ortspolizeibehörde am 16. Dezember 1938 ausgestellte Personenbeschreibung
lautet:
Gestalt: untersetzt
Gesichtsform: rund
Farbe der Augen: dunkelbraun
Farbe des Haares: braun
Unveränderliche Kennzeichen: keine
Veränderliche Kennzeichen: oft Brillenträger.12*
Zur Schilderung der allgemeinen Lage der Juden in Hechingen lassen wir einen
jüdischen Augenzeugen zur Sprache kommen: Die allgemeine Lage der Juden in
Hechingen war erträglich. Belästigt wurde man hie und da von der Hitler-Jugend,
während die ,Alten' immer noch freundlich waren, soweit sie nicht Parteimitglieder
waren. Gegrüßt durfte natürlich kein Jude werden, aber jeder hatte doch noch ein paar
gute christliche Freunde. Abends 8 Uhr durfte kein Jude mehr die Straße betreten. Als der
Krieg ausbrach, wurde die Lage derJuden im allgemeinen immer schlechter. Man traf sich
hie und da nur im kleinsten Kreise. Nach dem Attentat auf Hitler im Hofbräuhauskeller
SAH (unter Verschluß verwahrte Akten).
124 Ebenda.
125 Ebenda.
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