Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1980/0162
Werner

geringsten Vergehen wurden Gefangene erschossen. Kranke erlitten das gleiche Schicksal
. ... In Jungfernhof bestand die Verpflegung aus Kommisbrot, dünnem Malzkaffee,
mittags aus einer Suppe, die aus Erbsen, Kartoffeln und Grütze unter Zugabe von viel
Wasser hergestellt war. Manchmal erhielten die Häftlinge auch eine Fischkopfsuppe.
Zweimal in der Woche gab es 20 g Margarine und 50 g Pferdefleisch. ... Die wenigen
Uberlebenden erinnern sich mit Grauen an die Massenerschießung am 26. März 1942.
Die Kinder unter vierzehn Jahren und ihre Mütter sowie alle über Fünfzigjährigen,
ebenso die Arbeitsunfähigen, mitunter auch ganze Familien wurden zu einem besonderen
Transport zusammengestellt. Auch die Krankenbaracken wurden geleert und die
Kranken, gleichgültig, ob sie gehfähig waren oder nicht, zu den bereitstehenden
Autobussen getrieben oder geschleppt. Die SS-Wachmannschaften gaben die Parole aus,
die Häftlinge würden nach Dünamünde bei Riga gebracht, wo sie, soweit sie arbeitsfähig
waren, in einer Konservenfabrik beschäftigt werden sollten. In Wirklichkeit wurden sie
in Bikernieki, dem .Birkenwäldchen', der im Hochwald bei Riga gelegenen ständigen
Hinrichtungsstätten des Rigaer Ghettos erschossen. ... Von der ,Aktion Dünamünder
Konservenfabrik' waren in Jungfernhof etwa 1 500 Menschen, unter ihnen viele
Württemberger, erfaßt worden. Die Zahl der im Lager zurückgebliebenen betrug nur
noch wenige hundert arbeitsfähige junge Männer und Frauen."14*

15. Nekrolog

Als Nachruf und zur Mahnung stehe der Anfang einer Trauerrede Schmalzbachs aus
dem Jahre 1909:

„Der weise Salomo sagt im Buche des Predigers: ,En schilton bejom hamoves.'
.Keine Macht gibt es über den Tag des Todes.'

Gott hat dem Menschen seinen Mitgeschöpfen gegenüber eine hohe Stellung verliehen
und auf Erden viel Macht in seine Hände gegeben. Schon bei der Schöpfung wurde
gesagt, daß die Menschen herrschen sollen über alle Tiere, die auf der Erde und im
Wasser leben und über die Vögel in den Lüften. Der Psalmist singt: ,Du hast ihn zum
Herrscher gemacht über das Werk deiner Hände und hast alles zu seinen Füßen gelegt.'
Und an einer anderen Stelle sagt er: ,Haschomajim schomajim ladonoi wehoorez nosa
livne odom', d. h. ,Die Himmel sind des Ewigen Himmel, und die Erde gab er den
Menschenkindern.'Ja, alles, was zu unserem Wohlergehen erforderlich ist, hat die Güte
und die Weisheit Gottes uns in die Hände gegeben, hat Er unserer Macht und unserer
Herrschaft unterstellt; nur die Macht über den Tod hat Er uns versagt.

En schilton bejom hamoves. ,Es gibt keine Macht über den Tag des Todes!' Nicht wir
haben solche, nicht uns ist sie gegeben, die liegt in Gottes Händen.

Ani omis woechje. ,Ich töte und belebe', sagt Gott uns durch den Mund seines treuen
Dieners Moses. Dem Tode gegenüber stehen wir machtlos da. Dessen wird jeder inne
hienieden. Das hat jeder zu erfahren, in seiner Familie, in seinem Hause und schließlich
an sich selbst.

Paul Sauer, Die Schicksale (wie Anm. 90), S. 285-288. (Die dortigen Quellenangaben sind hier
nicht wiedergegeben.) - Siehe auch: »Warum haben wir überlebt und die anderen nicht?«
Interview mit Heinrich und Alice Rosenrauch. In: Bettina Wenke, (wie Anm. 112), S. 181-188
und 191.

158


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1980/0162