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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1980/0170
Werner

Dok. II Bericht des Landrats in Hechingen an den Regierungspräsidenten in
Sigmaringen vom 27. Juni 1935 - I Nr. 8664 - betr. Berichterstattung in
polizeilichen Angelegenheiten.

Lagerort: StAS Ho 235 I-VIII Nr. 338. Druck: Paul Sauer (wie Anm. 137), Nr. 246

Am 21. ds. Mts. hat mir der hiesige Bürgermeister berichtet, daß Rabbinatsverweser
Schmalzbach ihm angemeldet habe, daß der Preußische Landesverband jüdischer
Gemeinden, Berlin-Charlottenburg 2, am Mittwoch, den 26. ds. Mts., abends 8 Uhr in
der Synagoge in Hechingen einen Kulturabend veranstalten werde, zu dem die Mitglieder
der israelitischen Gemeinden Hechingen, Haigerloch, Horb, Tübingen, Rexingen,
Balingen u. a. eingeladen seien. Die Veranstaltung sehe vor: 1. Vortrag über >Vom Sinn
jüdischer Geschichte«, Redner Dr. Ludwig Landau in Frankfurt a. O., 2. Vortrag
religiöser Lieder, Tenor Max Mansfeld, Berlin. Außerdem werde der Synagogenchor der
hiesigen jüdischen Gemeinde mitwirken.

Nach Anhörung der Staatspolizeistelle habe ich dem Herrn Bürgermeister am 24. ds.
Mts. mitgeteilt, daß der angemeldete Kulturabend unter der Auflage polizeilicher
Überwachung stattfinden dürfe und daß die Überwachung durch die Staatspolizeistelle
erfolge.

Die Veranstaltung hat demgemäß gestern abend stattgefunden. Der Leiter der
dortigen Staatspolizeidienststelle, Hauptmann der Gendarmerie . . ., hat sie überwacht.

Der hiesige Kreisleiter, Herr Dr. . . ., der von der Veranstaltung Kenntnis erhalten
hatte, hat hiervon seinen hiesigen Parteigenossen Mitteilung gemacht. Obwohl ich ihn
im Auftrage der Staatspolizeistelle gebeten hatte, besorgt zu sein, daß Zwischenfälle
vermieden werden, war schon bald nach Beginn der Veranstaltung die Straße, in der die
Synagoge liegt, von einigen hundert Mitgliedern der HJ und des BdM, die eigens
zusammengerufen und sämtlich nicht uniformiert waren, besetzt. U. a. waren auch
Kreisleiter Dr. . . . und Ortsgruppenleiter . . . anwesend. Mit Sprechchören wie
»Nieder mit den Juden, Raus aus Deutschland, Sie sind Deutschlands Verderb mit ihren
krummen Nasen, Juda verrecke« sowie mit Fanfaren wurde die Veranstaltung der
jüdischen Gemeinde gestört. Dabei wurde auch der Versuch gemacht, in die Synagoge
einzudringen. Ich habe den die Veranstaltung überwachenden Hauptmann der Gendarmerie
. . . durch einen Boten benachrichtigt, was auf der Straße vorgehe. Die Veranstaltung
ist infolge der Störung frühzeitig abgebrochen worden. Beim Verlassen der
Synagoge sind die Mitglieder der israelitischen Gemeinde durch Zurufe der Jugend
belästigt worden. Vor der Wohnung des Vorstehers Jer israelitischen Gemeinde,
Fabrikant Emil Weil, wiederholten sich die Vorgänge. Als er sich am Fenster zeigte,
wurde ihm zugerufen: »Da ist der Sauhund.«

Die Vorgänge haben in der hiesigen Bevölkerung eine große Erregung ausgelöst,
zumal auch die städtischen Polizeibeamten, die den Straßendienst versahen, mit
Ausdrücken wie »Judenschützlinge« belästigt wurden. Soeben erfahre ich, daß die
Betriebsgemeinschaft der Firma J. Levi & Cie., deren Mitinhaber der schon genannte
Vorsteher der israelitischen Gemeinde, Fabrikant Emil Weil, ist, heute früh zusammengetreten
ist und einmütig wegen der Vorfälle des gestrigen Abends protestiert hat. Man
hat von dem Kreisamtsleiter der DAF, Herrn . . ., unter Androhung des Austritts aus
der DAF strengste Untersuchung der Vorfälle und Genugtuung gegenüber dem Chef,
Fabrikant Weil, verlangt. Herr . . . soll geantwortet haben, daß es so etwas selbstverständlich
nicht gebe. Im übrigen soll er aber beruhigende Erklärungen abgegeben haben.

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