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Die gewerbliche und industrielle Entwicklung im Haigerlocher Raum
Hohenzollern herrschten - wie in Württemberg und Baden - v. a. kleinere und mittlere Höfe
vor. Im hohenzollerischen Unterland - zu dem Haigerloch zählte - war und ist die Form des
Kleinbetriebs besonders verbreitet, im Oberland dagegen eher mittlere bis größere Anwesen22.
Bis in die 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts verfügte die hohenzollerische Landwirtschaft
über genügend Arbeitskräfte. Landflucht wie in Altpreußen trat in Hohenzollern nicht auf23.
Die Manufakturarbeiter halfen abends ihren Verwandten oft in der Landwirtschaft oder
trieben nebenbei selbst einen kleinen Hof um. In die Fabriken wanderten meistens diejenigen
ab, die in der Landwirtschaft überflüssig waren24. Auch Handwerker besaßen sehr oft eine
Landwirtschaft25.
Die Problematik einer Nebenerwerbslandwirtschaft bzw. eines Nebenerwerbshandwerks
erkannte Friedrich List bereits 1816: Die Not hat manchen gelehrt ein Handwerk zu treiben,
aber ein halber Bauer und ein halber Gewerbsmann ist ein elends Zwitterding26.
Anfangs der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts betrieben von rund 64600 Einwohnern
Hohenzollerns 37100 hauptberuflich eine Landwirtschaft, 12300 betrieben sie als Nebengewerbe
. Dies sind rund 57 % bzw. 19%. Im Oberamt Haigerloch waren es zur gleichen Zeit von
rund 11600 Einwohnern 8100 bzw. 1400, also rund 70% bzw. 12 %27. Der überdurchschnittlich
hohe Anteil der landwirtschaftlichen Bevölkerung gerade dieses Raumes ist auf dessen
schwache industrielle Entwicklung zurückzuführen.
Ein ähnliches Bild zeigen auch die Steuerverhältnisse von 1862. Es fielen an (in fl.)28:
Im Regierungsbezirk
Im Oberamt
Steuerkapitalien für:
Sigmaringen
Haigerloch
1. Grund- und Gefällsteuer
27132880
6119380
2. Gebäudesteuer
6652950
1569180
3. Gewerbesteuer
5028400
838900
4. Kapitalsteuer
8472380
1602020
Gesamtsteuer
47286610
10129480
Im Jahr 1852 betrug die Gewerbesteuer in Hohenzollern am Gesamtsteueraufkommen nur
16,5 %, die Gebäudesteuer 9,2 %, die Grund- und Gefällsteuer nahm den Löwenanteil von
74,3 % ein. 1880 ergaben sich in gleicher Reihenfolge die Relationen 18,2 % - 12,9 % -
68,9 %29. Die Verhältnisse hatten sich also allmählich leicht zugunsten des Gewerbes verschoben
; trotzdem dominierte die Landwirtschaft noch mit großem Vorsprung.
Ein Teil des hohenzollerischen Bevölkerungsüberschusses suchte sein Glück im Auswandern
. Man hoffte, im neuen Land Arbeit und ein besseres Einkommen zu erhalten. Das Elend,
die Wohnungsnot, die Dürftigkeit und Knappheit des Bodens, Mißernten, der Durchmarsch
22 A. Heinzler, Entwicklung der Landwirtschaft in Hohenzollern. Diss. Hohenheim 1924,
S. 7 ff. Ziegler (wie Anm. 6) S. 63.
23 Heinzler (wie Anm. 22) S. 106.
24 H. Golf, Die wirtschaftliche Entwicklung der Hohenzollernschen Lande in preußischer Zeit (seit
1850). Diss. Berlin 1921, S. 360.
25 Ebd. S. 366.
26 Friedrich List, Wider die unbegrenzte Teilung der Bauerngüter. Zitat nach P. Borscheid,
Textilarbeiterschaft in der Industrialisierung. Soziale Lage und Mobilität in Württemberg (19. Jahrhundert)
(Industrielle Welt. Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte 25) Stuttgart 1978, S. 25.
27 Statistische Mittheilungen aus den Hohenzollern'schen Landen auf Grund der neuesten Aufnahmen
zusammengestellt. Sigmaringen 1863, S. 2 und 7.
28 Ebd. S. 18. Die Steuersumme für Haigerloch wurde rechnerisch berichtigt.
29 Ziegler (wie Anm. 6) S. 87.
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