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Agathe Kempf
Die Hohenzollerische Landesbahn ist 107,43 km lang, davon entfielen 92,53 km auf
preußisch-hohenzollerisches, 14,90 km auf württembergisches Gebiet. Sie verläuft der Form
des langgestreckten Landes entsprechend, was im besonderen Interesse der Bevölkerung und
der Wirtschaft Hohenzollerns lag111. Die das Land durchquerenden ausländischen Linien
wurden den hohenzollerischen Bedürfnissen nicht gerecht, da die Verbindungen innerhalb des
Landes fehlten. Besonders in der ersten Zeit hatte die Landesbahn eine wichtige verkehrspolitische
Funktion, weil die meisten Güter mit der Bahn befördert wurden. Die Landesbahn
bewirkte somit eine Beschleunigung der industriellen Entwicklung, aber auch die Landwirtschaft
profitierte durch den Schienenverkehr112.
Die Entscheidung für die Normalspur war von folgenschwerer Bedeutung für Hohenzol-
lern: Der damaligen Zeit ersparte sie ein zeitraubendes Umladen von Gütern, was bei
bestimmten Produkten eine Qualitätsminderung hervorgerufen hätte. Außerdem konnte eine
Schmalspurbahn wirtschaftlich nicht so leistungsstark sein wie eine Normalspurbahn113. Heute
wäre sie wegen des einheitlichen Normalspursystems der Deutschen Bundesbahn wohl nicht
mehr existent. So aber bleibt sie noch immer ein Gegenstand des allgemeinen Interesses. Der
Zollernalbkreis und der Kreis Sigmaringen sind erst im März 1981 nach fast vierjährigen
Verhandlungen mit dem Land Baden-Württemberg darin übereingekommen, ihre 28,2 %ige
Beteiligung an der Landesbahn weiterhin zu behalten. Dafür wollen sie in den Jahren 1981/82
300000 DM aufbringen. Die Landesbahn geht also nicht vollständig in den Besitz des Landes
über, das 71,8% der Aktien innehat114.
2.3. Die Textilindustrie Hohenzollerns im Vergleich zu der Württembergs
Das Textilgewerbe als Heimarbeit hat in Hohenzollern eine alte Tradition115. Im 18. Jahrhundert
war die Hausspinnerei und -weberei ein beliebter - wenn auch kärglicher - Nebenerwerb,
der, wie es damals üblich war, im Verlagssystem organisiert war116. Seit der Mitte des 18.
Jahrhunderts trat die Wirkerei in den Vordergrund; besonders die Strumpfwirkerei wurde um
1800 einigermaßen bedeutend. Ende des 18. und anfangs des 19. Jahrhunderts war auch das
Nähen von Handschuhen, Flanellhemden und Hausschuhen eine vielgepflegte Nebenbeschäftigung
für Frauen und Mädchen117. Anfang des 19. Jahrhunderts war im Amt Straßberg die
Weißstickerei für Schweizer Handelshäuser stark vertreten.
Die erste Textilfabrik in Deutschland gründete der Elberfelder Leinwandhändler
J. G. Brügelmann im Jahr 1784 in Ratingen bei Düsseldorf118. 26 Jahre später, im Jahr 1810,
etablierte der Kaufmann Karl Bockshammer in Berg bei Stuttgart die erste mechanische
Baumwollspinnerei in Württemberg. Er stattete den Betrieb mit englischen Maschinen aus, die
er trotz des Ausfuhrverbotes für englische Textilmaschinen beschaffen konnte119. Wie im
111 Grospietsch (wie Anm. 78) S. 710.
112 Mühlebach (wie Anm. 59) S. 74 f. Vgl. Grospietsch (wie Anm. 78) S. 714.
113 Haigerlocher Bote, Nr. 137 vom 20. 11.1897.
114 Südwestpresse (Rottenburger Post) vom 26. 3. 1981.
115 Vgl. auch Abschnitt »Handwerksberufe«.
116 Hohenzollern. Geschichte - Kultur- Wirtschaft. Ausstellung veranstaltet vom Staatsarchiv Sigmaringen
in Verbindung mit dem Fürstlich Hohenzollernschen Haus- und Domänenarchiv, der Fürstlich
Hohenzollernschen Hofbibliothek und den Fürstlichen Sammlungen Sigmaringen im Staatsarchiv Sigmaringen
vom 25. April - 9. Mai 1973 (Ausstellungsverzeichnis) S. 71.
117 Lazi (wie Anm. 1) S. 57 f.
118 H. Blumberg, Die deutsche Textilindustrie in der industriellen Revolution (Veröffentlichungen des
Instituts für Wirtschaftsgeschichte an der Hochschule für Ökonomie Berlin-Karlshorst 3) Berün 1965,
S. 25.
119 Riede (wie Anm. 8) S. 26, 91. Spinnmaschinen durften bis 1843, andere Textilmaschinen bis 1826
nicht aus England ausgeführt werden.
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