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Agathe Kempf
der schlechteren Qualität der nun zu verarbeitenden Baumwolle hätten umgestellt werden
müssen. Ein weiteres negatives Faktum war, daß die Lage Karlstals viel höhere Frachtkosten für
Rohmaterialien, Kohle etc. erforderte als die anderer Spinnereien; dasselbe galt für Reisespesen.
Karlstal lag nämlich rund 2Vi Stunden von der nächsten Neckartaleisenbahnstation Weitingen
entfernt.
Kommissionär Furrer war der Preis der Spinnerei Karlstal ebenfalls wegen der veralteten
Maschinen und wegen des Wassermangels der Eyach zu hoch.
Bis September 1864 hatten sich sieben Firmen nach den Verkaufsbedingungen erkundigt,
Angebote erfolgten nur noch von vier. Da die Verluste bei langem Stillstand der Maschinen
immer höher wurden, riet die Regierung der Hofkammer zu einer Veräußerung selbst unter
schlechteren Bedingungen. Obwohl die Hofkammer den Interessenten der Baumwollspinnerei
die Lage und die Produktionsbedingungen derselben als sehr vorteilhaft anpries und die oben
angeführten Mängel stark beschönigte, kam es zu keinem Verkauf. Im März 1865 wies die
Hofkammer sogar darauf hin, daß Gebäude und Gelände der Fabrik auch zur Errichtung einer
Badeanstalt geeignet seien. Man war also gewillt, die Fabrik zu sachfremden Zwecken zu
veräußern. Wichtig war nun, daß überhaupt ein Verkaufsabschluß zustande kam.
Allgemein sei noch vermerkt, daß sich die Preisvorstellungen der potentiellen Käufer bei
rund 50000 fl bis zur Jahresmitte 1865 eingependelt hatten. Diese Summe erschien der
Hofkammer jedoch zu niedrig.
Zu einer abermaligen Verkaufsausschreibung der Fabrik Karlstal kam es am 31. Oktober
1865, da sich seit geraumer Zeit keine Interessenten mehr gemeldet hatten. In der Augsburger
Allgemeinen, der Kölner Zeitung, der Elbersfelder Zeitung, der Erfurter Zeitung, im St. Galle-
ner Tagblatt, im Aktionär, in der Prager Zeitung und im Schwäbischen Merkur erschienen die
Anzeigen. Daraufhin gingen mehrere Angebote ein.
Am 4. Dezember wurde ein Kaufvertrag geschlossen zwischen Wilhelm Philip Schäffer und
Christoph Kühne einerseits und Hofkammerrat Nußer im Namen der Hofkammer andererseits
. Paragraph 8 dieses Vertrages lautete: Die Kontrabenten behalten sich die Ratifikation
dieses Vertrages auf 3 Wochen von heute an gerechnet vor332. Erst nach Ablauf dieser Frist war
der Vertrag rechtskräftig.
Am 9. Dezember 1865 machte Kühne von der Rücktrittsklausel Gebrauch. Er widerrief den
Vertrag für seinen Teil, ohne nähere Gründe zu nennen. Am 18. Dezember folgte die
Annullierung des Vertrages durch Schäffer. Er gab an, der Schritt seines Partners und die
eingehende Aussprache mit Fachleuten hätten ihn dazu bewogen, den Vertrag zu lösen.
Wahrscheinlich hatten die beiden Käufer den ungünstigen Standort und das veraltete Maschinensystem
der Spinnerei Karlstal in Erfahrung gebracht.
Am 19. Dezember 1865 interessierte sich sogar eine englische Firma, Caesar und Sobbe aus
Liverpool, für Karlstal. Sie zog sich jedoch Mitte Januar 1866 wieder zurück, da die Spinnerei
zu dem scheinbar billigen Preise333 doch zu theuer ist, um gegen neuere Etablissements
erfolgreich concurrieren zu können334.
Am 13. März 1866 schließlich kam ein Vertrag zwischen J. F. Faigle und dessen Ehefrau,
beide aus Winterlingen, mit der Hofkammer Sigmaringen wegen des Verkaufs der Baumwollspinnerei
Karlstal zustande. Der Preis war auf 50000 fl festgesetzt. Wiederum enthielt der
Vertrag ein Rücktrittsrecht, diesmal nur für acht Tage. Am 20. März erklärten die Käufer die
Absicht, sie wollten die Spinnerei nicht erwerben.
Als weiterer Interessent trat danach Georg Wilhelm Gaedertz aus Cannstatt auf. Mit ihm
wurde der Kaufvertrag am 18. März 1866 bei einer Summe von 45000 fl abgeschlossen. Ein
332 Ebd.
333 Man hatte wegen eines Preises von 50000 fl. verhandelt.
334 FAS, NVA 22298.
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