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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0093
Die gewerbliche und industrielle Entwicklung im Haigerlocher Raum

Gemeinderats von Anfang Oktober 1886, das die Bitte Meyers unterstützte bzw. wiederholte.
Der Haigerlocher Oberamtmann schloß sich am 11. Oktober mit einem Schreiben an. Am
20. Dezember verwendete sich der Bürgermeister von Haigerloch, Stehle, für Meyer bzw.
dessen Arbeiterschaft. Seine Angabe über die Arbeit der Jugendlichen: Auch ist die Arbeit keine
geistig anstrengende.., dürfte allerdings euphemistisch sein. Ebenso ist die Beschreibung der
Arbeitsräume als trocken, hell und regelmäßig geheizt vorsichtig zu werten. Durch die in der
Luft schwebenden Baumwollfasern waren die Fabrikräume von Baumwollspinnereien i. a.
staubig, überhitzt und wenig gelüftet, was der Gesundheit sehr abträglich war397.

Der Regierungspräsident von Sigmaringen gab am 29. Januar 1887 bis auf Widerruf die
Erlaubnis, die Jugendlichen in Karlstal zu folgenden Zeiten zu beschäftigen: Von 600 Uhr
morgens mit einer halbstündigen Pause am Vormittag, die in die Zeit zwischen 80C und 1000Uhr
fallen mußte. Die Mittagspause hatte von 1200 bis 1230 Uhr zu dauern. Nachmittags mußte eine
halbstündige Pause in die Zeit zwischen 1430 und 1630 gelegt werden. Das Ende der Arbeitszeit
für Jugendliche wurde auf 183C festgesetzt. Meyer regelte die Pausen an den Vor- und
Nachmittagen derart in einem rollierenden System, daß immer je ein Viertel der Jugendlichen
innerhalb der vorgeschriebenen Zeitgrenzen eine halbstündige Pause hatte398.

Obwohl die aufgezeigten Beispiele keine durchlaufende Entwicklung darstellen, so läßt sich
an ihnen doch eine Tendenz ablesen: Die Arbeit bzw. die Arbeitsbedingungen von Kindern und
Jugendlichen in der Industrie wurden fortlaufend strengeren Gesetzen unterworfen, was sich
für die betroffene Gruppe physisch und psychisch nur vorteilhaft auswirken konnte. Im
besonderen ist festzustellen: Die Vorfälle des Jahres 1867 spiegeln noch deutlich die Einstellung
des Fabrikbesitzers und auch des Oberamtmanns als eine typisch wirtschaftlich-materielle
wider, während bis 1886 eine Wandlung eingetreten war. Die Verstöße dieses Jahres scheinen
weniger ein Fabrikunfug gewesen zu sein, wie der Schreiber in den »Hohenzollernschen
Blättern« die Beschäftigungsbedingungen von 1867 nennt, sondern eher auf Unwissenheit, z.T.
Nachlässigkeit und Ungenauigkeit in der Handhabung gesetzlicher Vorschriften beruht zu
haben, die den Jugendlichen i.a. nicht geschadet haben dürften, deshalb jedoch nicht
gutzuheißen sind. So ist auch das Entgegenkommen des Regierungspräsidenten zu erklären.

Im folgenden wird noch kurz Karlstals Stellung in Bezug auf Kinderarbeit mit anderen
hohenzollerischen Spinnereien verglichen.

Die Anzahl der Jugendlichen in den sechs hohenzollerischen Spinnereien399 verteilte sich
altersmäßig im Jahr 1874 wie folgt:

von 12 bis 14 Jahren: 0 männliche; 3 weibliche,
von 14 bis 16 Jahren: 11 männliche; 22 weibliche.

Von den 14- bis 16-Jährigen entfielen auf Karlstal vier Knaben und acht Mädchen. 12- bis
14-Jährige wurden dort nicht beschäftigt400. Legt man die oben genannten 36 Kinder bzw.
Jugendlichen auf die sechs hohenzollerischen Spinnereien um, so treffen im Mittelwert auf jede
Spinnerei sechs Kinder bzw. Jugendliche. Karlstal beschäftigte mit zwölf Personen dieser
Altersgruppe einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Kindern und Jugendlichen. Diese
Relation erhöht sich noch, wenn man die durchschnittliche Zahl der erwachsenen Arbeiter der
Spinnereien im Regierungsbezirk Sigmaringen zugrundelegt. Es treffen auf jede Spinnerei im
Mittelwert 67 Arbeiter, Karlstal beschäftigte 1874 jedoch durchschnittlich nur 53 erwachsene
Arbeiter (weiblich und männlich).

397 Christmann (wie Anm. 287) S. 47.

398 SAS, Ho 235, Pr. Reg. I, VI, P, 889.

399 Vgl. Abschnitt Frauenarbeit und -schütz.

400 SAS, Ho 235, Pr. Reg. I, VI, P, 921 vol. I. Ebd. Ho 202, POAH 1555.

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