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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0156
Wilhelm Haase

wenn auch die Stellung der Beamten und Richter willkürlichen Eingriffen entzogen war364, so
wird man doch in der Annahme nicht fehl gehen, wenn man die oben erwähnten umfassenden
Bestimmungen eher für programmatische Erklärungen als für unmittelbar angewendetes Recht
hält.

Beschwerden wegen verweigerter oder verzögerter Behandlung einer Rechtssache, die heute
in Dienstaufsichts-, also im Verwaltungswege erledigt werden, wurden, wie noch angefügt
werden mag, in den Fürstentümern gerichtlich behandelt, konnten sogar an die oberste Instanz
in Darmstadt, später in Stuttgart gelangen365.

B.5 Würdigung der Verhältnisse in den Fürstentümern aus zeitgenössischer und heutiger Sicht

Der Verfasser hat sich hauptsächlich die Aufgabe gestellt, die Organisation der Rechtspflege
in beiden Fürstentümern darzustellen. Er fühlt sich nicht berufen, über die Güte der
Rechtssprechung umfassend selbst zu urteilen, ganz abgesehen davon, daß es fraglich erscheinen
muß, ob für eine solche Würdigung genügend Quellen zur Verfügung stehen. Zu
brauchbaren Ergebnissen käme man sicherlich nur, wenn man die Verhältnisse in den
Fürstentümern mit denen in anderen deutschen Staaten vergliche, wobei man vor allem an
Kleinstaaten wie z.B. an Liechtenstein oder an thüringische Fürstentümer denken könnte. So
bietet sich eine auf die beiden Fürstentümer zu beschränkende, vergleichende Beurteilung
beinahe von selbst an, wobei vor allem zeitgenössische Stimmen wiederzugeben sein werden.

Wenn man von ihrer Organisation auf die Qualität einer Rechtsprechung schließen darf,
wird man mit einiger Sicherheit sagen können, daß die Verhältnisse in Sigmaringen günstiger
lagen als in Hechingen. Dort finden wir wenigstens im Äußeren eine durchgebildete Verwaltung366
mit zuletzt (im Jahre 1850) neun Amtern, denen Juristen vorstanden, und eine
übersichtliche und auffindbare Gesetzgebung, während sich in dem - freilich um die Hälfte
kleineren - Hechinger Fürstentum die Rechtssprechung praktisch in der Residenz konzentrierte
(Oberamt und Stadtamt), manches den hierbei sicherlich überforderten Gemeinden zugewiesen
war, die Stellung und Aufgaben der Bezirksämter im Bereich der Rechtspflege unklar
geblieben sind und sich schon beim Aufspüren der rechtlichen Grundlagen überhaupt mehr
oder minder große Schwierigkeiten ergaben. Es zeugt auch nicht gerade von einer der
Rechtspflege gewidmeten Aufmerksamkeit der Hechinger Regierung, daß sie es zwischen 1818
und 1849 zu Zeitspannen eines vertragslosen Zustandes bei der obersten gerichtlichen Instanz
hat kommen lassen367. In Sigmaringen wurde dadurch, daß man schon im Jahre 1830 in
beschränktem Umfange Laien an der Rechtsprechung beteiligte, dem Fürstentum im Jahre 1833
eine Verfassung gab und sich im Jahre 1848 schließlich an das badische Vorbild in der
Strafrechtspflege anschloß, die ersten Schritte zu einem etwas moderneren Aufbau von Staat
und Rechtspflege getan. In Hechingen fehlten solche oder ähnliche Maßnahmen. Die Verfassung
des Jahres 1848 kam im Vergleich mit Sigmaringen spät und hat sich wegen des baldigen
Ubergangs an Preußen nicht mehr recht auswirken können. Die bisher vertretene Meinung, daß
die Verhältnisse im Hechinger Fürstentum ungünstiger als in Sigmaringen waren, wird durch
zeitgenössische Äußerungen gestützt. Schon erwähnt wurde die negative Beurteilung, die
Mitglieder der Landesdeputation in Hechingen, ja selbst das Appellationsgericht abgegeben
haben368. Sie lassen sich noch ergänzen.

364 Vgl. S. 134, 151.

365 SGS I 192 Nr. 2, I 209 Art. 4, III 241 § 6; RegBl 1825, 521, Art. IV; allgemein: Döhring S. 107.

366 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die ausführlichen Berichte über die Verwaltungsergebnisse
einschließlich der Rechtspflege für die Jahre 1840-1846. VOBISi 1843, zwischen S. 186 und 187;
VOBISi 1847, zwischen S. 270 und 271 (in LGBibl).

367 Vgl. S. 131, StAS HO 6 Akten 330, insbesondere |29 R, 31, 68.

368 Vgl. S. 119.

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