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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0258
Gerd Friedrich Nüske

zusammensetzt, der sich mit den verschiedensten Uberzeugungen vereinigen muß, der die
innere Verfassung des Volkes widerspiegelt, der innere Halt des Staatsgefüges ist .

Die Unterstützung, die Niethammer bei seinen Fraktionskollegen von der CDU fand, war
wenig geeignet, seine eigene Argumentation wirkungsvoll zu unterstützen. Im Gegenteil. Der
Abgeordnete Hermann verstieg sich - wobei unklar blieb, was das noch mit Niethammers
Entwurf zu tun hatte - zu der Feststellung, daß die Verbrechen der NS-Zeit gar nicht von
Deutschen begangen worden sein könnten: Wie kann ein deutscher Mensch hingehen und eine
Frau, die einen Säugling am Arm hat, töten t Woher kommen die Genickschüsse bei den Toten in
den Massengräbern ?... Das sind doch keine deutschen Menschen mehr gewesen246. Bemerkenswerter
waren die Gedanken Hermanns über die, wie er es nannte, Grundgedanken der
Verfassung. Wie Niethammer unterstrich er die Bedeutung des Christentums für alle Bereiche
des Verfassungslebens: Aber die Zeit und Verhältnisse haben mich dazu geführt, daß man ohne
innere Einstellung zum Christentum auch in der wirtschaftlichen Welt keinen Fortschritt
erzielen kann. Vor allem aber sollte das Christentum zur allein verbindlichen Richtschnur im
Bereich Schulen und Hochschulen werden: Wir werden die Professoren, die ihr Leben nicht auf
der christlichen Weltanschauung aufgebaut haben, nicht mehr an unseren Universitäten
zulassen. Wir werden unser Augenmerk darauf legen, daß unsere Lehrkräfte christlich
eingestellt sind. Wenn sie das nicht sind, dann gehören sie heraus, dann sollen sie Steine klopfen
gehen, aber keine Jugend erziehen247. Der Abgeordnete Bischoff vertiefte diese Argumentation
noch. Auch er bezeichnete das Christentum als einzig wirksamen Schutz vor einer drohenden
Bolschewisierung Deutschlands: Wir müssen etwas tun gegen diesen teuflischen Geist, der nicht
nur Deutschland, sondern die abendländische Kultur bedroht. Bischoff leitete auch das Institut
des Staatspräsidenten, so wie es im Entwurf Bock-Niethammer vorgesehen war, aus dem
Christentum ab: Ein Grundsatz des Christentums ist, so wie ich die Bibel kenne, die Autorität,
eine Autorität, wie sie sich in der Monarchie deutlich gezeigt hat, wie sie sich auch in der
Republik und im Freistaat zeigt, wenn Männer an der Regierung sitzen, die wissen, daß die
höchste Macht nicht vom Menschen, sondern von Gott kommt. Deshalb griff Bischoff auch die
Formulierung der Weimarer Verfassung an: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus248. Vielmehr
gehe alle Staatsgewalt von Gott aus und vor allem ihm müsse man sich verantwortlich fühlen:
Wir wollen nicht nur um den Beifall der Menge buhlen, sondern uns fragen, wie kann ich vor
Gott und dem Gewissen bestehen.

Diese Gedankenführung rief offensichtlich bei den Liberalen, die ja als einzige neben der
CDU noch im Verfassungsausschuß verblieben waren, ein Gefühl der Resignation hervor. Der
Abgeordnete Leuze wies zwar noch die seitens der CDU zuvor gemachten Äußerungen über
den Unterricht an Schulen und Hochschulen zurück. Er plädierte entschieden für eine Vielfalt
der Denkweise gerade im Bereich von Unterricht, Wissenschaft und Kunst: Ich empfinde
gerade diesen Punkt für außerordentlich wichtig, ich empfinde ihn beinahe so. Er geht an die
Menschenwürde2^. Im übrigen schien nun auch die DVP-Fraktion im Verfassungsausschuß die
weitere Teilnahme an der Verfassungsdebatte als sinnlos erkannt zu haben. Zwar stellte Leuze
noch den Antrag, statt des Unterabschnitts 3 des 2. Kapitels des Abschnitts IV über die
Regierung des Entwurfs Bock-Niethammer den Abschnitt II des 2. Hauptteils der Stuttgarter
Verfassung zu übernehmen. Doch rechnete Leuze augenfällig gar nicht damit, daß die Liberalen
mit diesem Antrag durchdringen würden. Wohl deshalb mühte sich Leuze, keinen Zweifel

245 Ebd. (wie Anm. 237) S. 58 Abgeordneter Dr. Leuze.

246 Ebd. (wie Anm. 237) S. 60 Abgeordneter Hermann (CDU).

247 Ebd. (wie Anm. 237) S. 60 Abgeordneter Hermann. Er fuhr fon: Für wen bauen wir denn auf? Für die
Leute, die dieses Unheil angerichtet haben? Für die haben wir keine Veranlassung, ein Reich aufzubauen.

248 Ebd. (wie Anm. 237) S. 60 f. Abgeordneter Bischoff (CDU).

249 Ebd. (wie Anm. 237) S. 61 Abgeordneter Dr. Leuze (DVP).

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