Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0263
Württemberg-Hohenzollern als Land der französischen Besatzungszone

und damit gefährlicher werden könne: Dann haben wir hier ein Bollwerk, das nicht überschritten
werden kann. Deswegen kam Gog auf einen - offenbar schon früher von ihm gemachten -
Vorschlag zurück, daß nämlich die Ernennung des Staatsrats in Form des berufsständischen
Prinzips erfolgt. Als Mitglieder des Staatsrats schlug Gog u. a. vor: den Rektor der Universität
Tübingen, die Präsidenten des Oberlandesgerichts und des Verwaltungsgerichts, die Präsidenten
der Arzte- sowie der Industrie- und Handelskammer, ferner der Landwirtschafts- und
Handwerkskammern, dann je zwei Vertreter der Unternehmer und Arbeiter, der gewerblichen
Wirtschaft, vier Vertreter der Landwirtschaft, darunter drei Selbständige, und einen Vertreter
der landwirtschaftlichen Lohnarbeiter. So, meinte Gog, würde mit dem Staatsrat eine
Institution geschaffen, die jeder Willkür des Staatspräsidenten entzogen wäre, und es wären
Persönlichkeiten vertreten, die in der Wirtschaft stehen und sämtliche Berufe repräsentieren. Mit
seiner vorsichtigen Umdeutung der Bestimmung über den Staatsrat hatte Gog offenbar den
Verfassungsschöpfer Niethammer an einer empfindlichen Stelle getroffen. Niethammer bestritt
, daß die von ihm ausgearbeitete Lösung überhaupt für Willkür Raum ließe. Dabei hob er
darauf ab, daß die Mitglieder des Staatsrats auf Lebenszeit ernannt werden würden. Wenn also
auch der Staatspräsident wechseln werde, der Staatsrat jedoch bliebe. Daneben hielt Niethammer
die Bindung der Mitglieder des Staatsrats an ein bestimmtes Amt für wenig sinnvoll, da z. B.
die Rektoren der Universität häufig wechselten. Auch aus anderen Gründen schienen Niethammer
gerade die Universitätsrektoren nicht besonders als Staatsratsmitglieder geeignet zu sein:
Einmal ist es ein Mediziner, ein andermal ein Mathematiker, die vielleicht nicht immer auf dem
Boden des Christentums stehen. Wir wollen keine Diktatur, wir wollen ein autoritäres
Systemhaben. Auch der Abgeordnete Wirsching sprach sich dafür aus, daß der Staatspräsident
den Staatsrat im Einvernehmen mit der Regierung ernenne. Er wandte sich darüber hinaus
dagegen, daß der Staatsrat vielleicht allzusehr das Gesicht eines Doktorenrats erhält. Wirsching
betonte, daß nach seiner bisherigen Lebenserfahrung die Doktoren in diesen Dingen auch nicht
mehr Instinkt haben als ein einfacher Mensch26*. Schließlich wurde der Staatsrat entsprechend
dem Vorschlag Niethammers vom Ausschuß gebilligt.

Damit war die Arbeit des Verfassungsausschusses beendet. Zumindest bei dessen zuletzt
allein verbliebenen CDU-Mitgliedern hatte sich kein Zweifel ergeben, daß die französische
Militärregierung den Entwurf im wesentlichen billigen würde. Um so mehr traf offenbar die
meisten Beteiligten die Nachricht, daß Gouverneur Widmer den Entwurf insgesamt abgelehnt
habe266. Dies war der einzige Fall, daß eine Besatzungsregierung einen deutschen Verfassungsentwurf
vollständig und nicht nur in bezug auf einzelne Bestimmungen verworfen hatte. Der
französische Bescheid war zudem verletzend knapp gewesen und besagte nur, daß die
Verfassungsbestimmungen nicht die unverzichtbaren Garantien einer Demokratie enthielten.

Spätestens hier muß gefragt werden, ob es in der deutschen Überlieferung überhaupt
Anhaltspunkte dafür gibt, daß die französische Militärregierung in Tübingen irgendeinen
Einfluß auf die Verfassungsberatungen in Bebenhausen ausgeübt hatte. Die Ausschußdebatten
ließen einen derartigen Eindruck jedenfalls nicht aufkommen. Daran änderte auch nichts, daß
einzelne Abgeordnete und Ausschußmitglieder durchaus von französischen Militärregierungen
zu den Verfassungsberatungen gehört worden waren. Die Diskussionen im Ausschuß selbst

265 Ebd. S. 86 Abgeordneter Wirsching (CDU).

266 An den Staatspräsidenten und an den Präsidenten der Beratenden Landesversammlung gleichzeitig
gerichtetes Schreiben der Delegation Superieure vom 24. 3. 1947, No. 3046 SAA/JNT/GW/NS: J'ai
honneur de vous accuser reception du project de Constitution etablipar la commission que vous presidez. Les
dispositions prevues dans l'Organisation des pouvoirs de l'Etat nassurant pas ä l'expressions de la volenti
populaire les garanties fondamentales d'une democratie, le Gouvernement Militaire n'estpas en mesure de
lui donner son approbation. G. Widmer, in: StA Sigmaringen Wü 1 das Schreiben an den Präsidenten der
Beratenden Landesversammlung.

261


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0263