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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0264
Gerd Friedrich Nüske

jedenfalls entwickelten sich offensichtlich völlig unbehindert, ja geradezu ungehemmt. Auch
die Konzeption Niethammers hatte zweifellos ihren genuinen Ursprung in der Person
Niethammer und in dessen Vergangenheit als hoher Richter, ja stimmte nicht einmal unbedingt
mit den Ansichten seiner Parteifreunde überein. Wo also blieb die französische Besatzungsmacht
?

Nur ganz selten geht aus den auf deutscher Seite entstandenen, mit der Verfassungsberatung
in Württemberg-Hohenzollern zusammenhängenden Akten hervor, daß die französischen
Militärregierungen in nennenswerter Weise hervortraten, um irgendwie gearteten Einfluß auf
die Verfassungsgestaltung zu nehmen. Allenfalls war dies am 17. März der Fall, als Lorenz Bock
und andere über Kontakte mit den Franzosen in der Verfassungsfrage berichteten. Nach Bock
hätte die französische Militärregierung erklärt, daß das hauptsächliche französische Interesse
nicht der Regelung der Schulfrage, sondern vielmehr der Stellung des Staatspräsidenten im
Verfassungssystem gelte. Auch der sozialdemokratische Abgeordnete Roser berichtete, daß die
SPD ebenfalls von Gouverneur Widmer zu einer Stellungnahme aufgefordert worden sei. Seine
Fraktion habe jedoch jede Einmischung der Militärregierung abgelehnt. Das habe man dieser
auch mitgeteilt und die Tübinger Militärregierung wollte dann die Stellungnahme der SPD sogar
in Baden-Baden bei der französischen Militärregierung für Deutschland vertreten. Der liberale
Abgeordnete Leuze war zum Kreisgouverneur von Reutlingen gerufen worden, so daß außer
der KPD alle in der Landesversammlung vertretenen politischen Gruppen von den Franzosen
zum Verfassungsentwurf gehört worden waren. Neben Lorenz Bock war mit Emil Niethammer
auch der zweite und maßgeblichere Verfasser des Entwurfs von der Militärregierung
einvernommen worden - hauptsächlich zur Schulfrage. Allerdings gab sich die Militärregierung
Niethammer gegenüber konziliant und erklärte ausdrücklich, sie würde wegen Einzelheiten
keine Schwierigkeiten machen und den Abgeordneten völlige Freiheit lassen267.

Im einzelnen führt ein Vergleich der Bestimmungen des Verfassungsentwurfs Bock-
Niethammer wie auch der folgenden im Zug des Beratungsverfahrens in Bebenhausen
entstandenen Varianten nicht zu dem Ergebnis, daß sich irgendwo eine nennenswerte
Intervention der französischen Militärregierungen nachweisen ließe. Die vergleichsweise
spektakuläre Ablehnung des vom Ausschuß am 20. März 1947 gebilligten Entwurfs und auch
das von der französischen Militärregierung so plötzlich diktierte Beratungsende war ganz
offensichtlich ein Verhalten, das mit dem materiellen Inhalt der Verfassungsbestimmungen

267 Auf Befragen des kommunistischen Abgeordneten Wieland berichtete Bock (CDU), daß er vom
Gouverneur des Landkreises Rotrweil ersucht worden sei, bei diesem vorzusprechen. Der Kreisgouverneur
habe Bock dann im Auftrag von Gouverneur Widmer alle Punkte des Verfassungsentwurfs Bock-
Niethammer namhaft gemacht, die in Tübingen auch unerwünscht seien, so als 1. Punkt die Stellung des
Staatspräsidenten, 2. die Frage des sogenannten Senats und 3. die Frage der Bekenntnischule. Im einzelnen,
so berichtete Bock, sei ihm gesagt worden, die Französische Militärregierung würde es für zweckmäßig
halten, in die Verfassung grundsätzlich hineinzuschreiben: Die Volksschulen sind christlichen Schulen. Als
Absatz 2 würde beizufügen sein: Das Nähere regelt ein Schulgesetz. Im übrigen, so Bock, habe er dem
französischen Kreisgouverneur erklärt, müsse er zu den Fragen den Standpunkt seiner Fraktion einholen.
Die CDU habe dann eine Fraktionssitzung abgehalten und wäre dabei zu dem Ergebnis gekommen, nicht
grundsätzlich an der Bekenntnisschule festzuhalten: Eine Bekenntnisschule würde sich ja schon größtenteils
aus dem Zusammenwohnen der Bevölkerung ergeben; vgl. Protokoll über die Sitzung des Verfassungsausschusses
am 17. 3. 1947 in Bebenhausen S. 3, in: StA Sigmaringen Wü 1/19. Ebd. S. 3 die Berichte der
Abgeordneten Roser (SPD) und Leuze (DVP). - Am 8. April 1947 berichtete der Abgeordnete
Dr. Niethammer (CDU) über ein Gespräch mit der Militärregierung, bei der bemerkenswerterweise im
wesentlichen Übereinstimmung erzielt worden sei, allein die Rechtsstellung von Hohenzollern war streitig,
vgl. Protokoll über die Sitzung des Verfassungsausschusses vom 8. April 1947, in: StA Sigmaringen
Wü 1/26.

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