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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0287
Besprechungen

Kreisreform zum Opfer. - Die Gebietsreform von 1938 in Württemberg griff sehr stark auf die Vorschläge
von 1930 zurück und brachte eine sinnvolle Neueinteilung des Landes. Deshalb änderte man auch nach 1945
nichts an der neuen Kreiseinteilung, obwohl einflußreiche Gruppen aus verschiedenen aufgelösten
Oberämtern die Wiedergutmachung des angeblichen nationalsozialistischen Unrechts forderten.

Die großen territorialen Veränderungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts brachten auch erhebüche
konfessionelle Verschiebungen in das Großherzogtum Baden und das Königreich Württemberg, während
sich in Hohenzollern praktisch nichts änderte (Karte VIII, 12). Die neuwürttembergischen Gebiete waren
im Gegensatz zu Altwürttemberg überwiegend katholisch.

Die staatliche Neugliederung erforderte aber auch auf katholischer Seite eine Neugliederung, die
allerdings vom Vatikan nur zögernd in Angriff genommen wurde. Erst 1821 bestimmte die Bulle Provida
solersque die neuen Bistümer Freiburg für Baden und Rottenburg für Württemberg. Nach Auseinandersetzungen
, bei denen sich Württemberg nicht durchsetzen konnte, wurde der Sitz des Erzbistums nach
Freiburg gelegt und Hohenzollern ebenfalls Freiburg zugeordnet (Karte VIII, 8).

Auf die vielfältigen, innerkirchlich-organisatorischen Entwicklungen von Protestanten und Katholiken
(Karten VIII, 9-11), die mit Hilfe umfangreicher Beiworte sehr ausführlich dargestellt werden, kann hier
nicht detailliert eingegangen werden. Auffallend ist allerdings, daß die konfessionelle Gliederung in Baden,
Württemberg und Hohenzollern, mit Ausnahme der größeren Städte, in denen die jeweilige konfessionelle
Minderheit stark zunahm, bis 1945 nahezu unverändert blieb. Erst die Millionen Heimatvertriebenen, die
nach 1945 vorwiegend in die Nordteile des Landes strömten - die Franzosen verweigerten die Aufnahme
einer größeren Anzahl von Flüchtlingen - bewirkten eine stärkere konfessionelle Durchmischung.
Allerdings erkennt man noch auf der Karte von 1961 deutlich die Grundgliederung von 1820 (Karte
VIII, 14). Die »Neubürger« bewirkten in den wenigsten Fällen eine Umkehr der konfessionellen Struktur.
Sie ebneten nur die Hochburgen ein. Während 1820 die Gebiete mit 96-100 % einheitlicher Konfessionszugehörigkeit
eindeutig dominierten, gab es 1961 nur noch wenige vergleichbare Bezirke. Die industrielle
Entwicklung und die Bevölkerungsverschiebungen im Gefolge des Zweiten Weltkrieges führten einerseits
zu einem starken Anwachsen der städtischen Pfarreien, bei Stagnation bzw. Rückgang der ländlichen
Pfarreien, und andererseits zur Errichtung von einer Vielzahl von Pfarreien in Diasporagebieten. Von den
sechs evangelischen Pfarreien, die 1966 in Hohenzollern existierten, waren vier zwischen 1945 und 1966
errichtet worden. Im evangelischen Kreis Vaihingen a. d. E. bestand 1840 keine katholische Pfarrei. 1970
gab es sieben katholische Pfarreien im Kreis, sechs davon zwischen 1945 und 1970 gegründet.

Die wechselvolle Geschichte der jüdischen Einwohner von Baden-Württemberg wird sehr eindrucksvoll
dargestellt (Karte VIII, 13). Nachdem sich die Juden im Mittelalter nahezu ausschließlich in Städten
niedergelassen hatten, aus denen sie bis Ende des 15. Jahrhunderts fast vollständig wieder vertrieben
wurden, lebten sie 1825 überwiegend in Dörfern, aus denen sie im Zuge ihrer rechtlichen Gleichstellung
und der Industrialisierung wieder in die Städte zogen, wie die Karte von 1925 verdeutlicht. Von den knapp
31000 Juden, die 1933 in Baden, Württemberg und Hohenzollern lebten, verloren mindestens 8500 ihr
Leben. Die übrigen mußten mit wenigen Ausnahmen ihr Heimatland verlassen. Die meisten jüdischen
Bewohner lebten im nordbadischen Raum und in den angrenzenden württembergischen Oberämtern.
Dazu kamen noch umfangreiche Judengemeinden in den großen Städten des Landes wie Stuttgart, Ulm,
Göppingen, Freiburg und Konstanz. Die großen jüdischen Gemeinden in Hechingen und Haigerloch sind
graphisch 1825 und 1925 leider nicht erfaßt, während sie im Beiwort kurz erwähnt werden.

Mit den einschneidenden wirtschaftlichen Veränderungen im 19. Jahrhundert beschäftigt sich die Karte
über die Anfänge der Industrie in Baden und Württemberg 1829/32 (Karte XI, 6). Während ein
Handwerker in der Regel »Unternehmer, Kapitalist und Arbeiter in einer Person ist und die Arbeit zu
Hause oder bei der Kundschaft verrichtet«, wurde ein Fabrikant in zeitgenössischen Publikationen als
Inhaber von Betrieben, in denen »eine planmäßige Teilung der Arbeit stattfindet unter Anwendung von
Natur- (Wasser-) Kräften auf Maschinen« definiert. Dazu gehörten auch Personen, die mit einem
Betriebskapital von wenigstens 1000 Gulden eine Fabrikation zugleich kaufmännisch betrieben (Beiwort
S. 1). Die meisten Betriebe in Baden gehörten zur Nahrungs- und Genußmittelindustrie (davon über 70%
Tabakindustrie). In Württemberg dominierte die Branche »Leder, Textil und Bekleidung«. Die »industriellen
Schwerpunkte« lagen in Baden in Mannheim und Pforzheim und in Württemberg in Ulm, Stuttgart,
Heilbronn, Ludwigsburg, Heidenheim und Esslingen. Schon vor Beginn der industriellen Revolution in
Deutschland waren die meisten Betriebe in Städten, die bis heute zu den wichtigsten Industriegebieten des
Landes gehören.

Während die bisher vorgestellten Karten mitsamt ihren Beiworten sehr verständlich und überzeugend
ausgefallen sind, läßt sich dies zu den drei Blättern über die Reichstagswahlen im Kaiserreich und in der

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