http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1983/0135
Württemberg-Hohenzollern als Land der französischen Besatzungszone
Verantwortung, von Humanität und von dem Willen zur Versöhnung. Ich gehe daher nur
ungern auf die Rede ein, die General de Gaulle dieser Tage gehalten hat. Ich tue es um des Willen
weil er in seiner Rede auch das Land Baden angesprochen hat. Dies zeigte noch einmal deutlich,
in welchem Zwiespalt sich südwestdeutsche Politiker befanden, sofern sie de Gaulle Sympathien
entgegenbrachten und zugleich doch deutlich Kritik an ihm äußern mußten. In der Sache
war die Stellungnahme Wohlebs zu den Ausführungen de Gaulles ganz unzweideutig, ja sogar
deutlicher als die in Bebenhausen formulierte Erklärung. Ja es machte den Anschein, daß
Wohleb zu solch scharfen Worten griff, weil er den Eindruck eines besonderen französischen
Interesses vor allem an Baden nicht aufkommen lassen wollte. Er war sich gewiß dessen bewußt,
daß die Mehrzahl seiner badischen Landsleute vielleicht eine Wiederherstellung des alten
Landes Baden wünschten, aber gewiß nicht unter einer wie immer gearteten französischen
Ägide. Dies galt vor allem für die Bevölkerung Nordbadens, wie sich in den Auseinandersetzungen
um den Südweststaat erwies. Wohleb mußte deshalb das von de Gaulle gegebene
Stichwort eines deutschen Staatenbundes besonders aufgreifen. Er sagte: Als deutscher Patriot
muß ich die staatsrechtliche Form eines Staatenbundes ablehnen. Ein rechter Staatenbund würde
die volle Souveränität jedes einzelnen Mitgliedsstaates aufrecht erhalten. Dies wäre eine
politische Rückbildung, denn wir dürfen nicht vergessen, daß ein Staatenbund in seiner reinen
Form erst nach den napoleonischen Kriegen zustande kam und nur bis zum Jahr 1866 gedauert
hat. Niemals wird das deutsche Volk auf die deutsche Einheit verzichten und man möge es dem
deutschen Volke und seinen z. Zt. in Bonn versammelten Vertretern überlassen, die Form dieser
Einheit nach bestem Wissen und Gewissen zu bestimmen.
In diesem Zusammenhang fand Wohleb auch deutliche Worte zu dem ihm gelegentlich
unterstellten badischen Sonderweg, dessen Wortführer er angeblich war: Gerade wir hieran der
Westgrenze, die wir aus innerster Uberzeugung für eine Verständigung der beiden benachbarten
großen Nationen eintreten, empfinden es als eine Ungerechtigkeit, wenn die Länder der
französischen Zone aus der allgemeinen deutschen Verfassung, die in der Tatsache des
verlorenen Krieges und der bedingungslosen Kapitulation ihre Rechtsgrundlage findet, herausgenommen
und einem Sonderregime zugunsten Frankreichs unterworfen würde. Wohleb gab
schließlich seiner Uberzeugung Ausdruck, daß die gaullistischen Gedanken Deutschland nicht
vom Stand eines Volks minderen Rechts wegführen würde. Aber: Ein Deutschland, dem
Vertrauen und schritteweise Freiheit geschenkt wird, wird sich am sichersten in die Front der
europäischen Völkerfamilie einreihen und für die Ideale des christlichen Abendlandes und der
europäischen Einheit eintreten.
Im übrigen war die Reaktion der internationalen Presse ganz unzweideutig ablehnend.
Allen voran ging, wie oft, die Neue Zürcher Zeitung403. Sie schrieb zu den Ausführungen de
Gaulles: Er verurteilte auf das Schärfste die Deutschland-Politik der Regierung, der er eine
schwächliche Preisgabe der französischen Interessen vorwirft ...Es ist die starrste, unversöhnlichste
Erklärung, die der Führer des »rassemblement du peuple franqais« bisher überhaupt
abgegeben hat. Zu Recht bemerkte der Kommentator: Ein Verdienst kann man de Gaulle nicht
streitig machen, nämlich ein beträchtliches Maß an Aufrichtigkeit. Und: Von alters her steht de
Gaulle im Ruf, daß mit ihm schwer zu diskutieren ist, weil er sich als schlechter Zuhörer erweist
und die Form des Monologs bevorzugt. Aus Washington wußte die Neue Zürcher Zeitung
ergänzend noch zu berichten: Von amtlicher [amerikanischer] Seite wird auch daraufhingewiesen
, daß Frankreich dank der Fürsprache Churchills und Roosevelts - entgegen der Stellungnahme
Stalins - eine Zone Deutschlands besetzen konnte. Es sei daher zu bedauern, daß de Gaulle
diese Zone als Pfand Frankreichs bezeichnet habe.
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403 »Die programmatischen Erklärungen de Gaulles«, in: Neue Zürcher Zeitung vom 19. 11. 1948.
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