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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0033
Die Junginger Audienzprotokolle von 1600-1625

Handwerker und Bauern noch etwas zum Süßen hin abrundet. Daß es auf jedem Bauernhof
Hühner gab, braucht nicht eigens erwähnt zu werden. Wenn anno 1600 einmal ein Fuchs
nächtlicher Weile an die 30 Hühner erwürgt hat, dann ist das eher ein Beleg für die Bedrohung,
die der Zivilisation diesseits des Ortsetters aus der wild gebliebenen Natur drohte. Auch die
Schäden, die das Wild auf den Feldern anrichtete, mußten groß gewesen sein. So bitten die
Junginger 1605 underthenig, E.H. wellen sie diefreye Pirsch gebrauchen lassen, was aber beim
Stand der Auseinandersetzungen zwischen Herrschaft und Untertanen um das freie Jagdrecht
nicht genehmigt wurde. Was jedoch passierte, wenn die Bauern zur Selbsthilfe griffen,
illustriert ein Fall von 1612. Conrad Flad und Stoffel Kesler (aus Veringendorf) hatten in der
Birsch ein Wild geschossen und solches E. H. nit angebotten, sondern selbs genoßen, sein sie uß
E. H. bevelch in Thurm gelegt worden.

DIE MENSCHLICHEN BEZIEHUNGEN
/. Ehen (sozialpsychologischer Aspekt)

Soweit wir der wirtschaftlichen Struktur des Dorfes Jungingen in den Jahren vor dem
Dreißigjährigen Krieg nachgegangen sind, haben wir die Ehe unter dem Blickwinkel der
Existenzsicherung und ihrer wirtschaftlichen Kraft betrachtet. Zugleich ist die Ehe aber auch
die kleinste soziale Einheit. Sie verbindet unter ganz bestimmten Bedingungen, bei denen
ökonomische Faktoren nicht zu unterschätzen sind, zwei Menschen und deren Verwandtschaften
miteinander. Die Ehe kommt aus gesellschaftlichen Rücksichten zustande, setzt aber
ihrerseits zugleich neue soziale Beziehungen und Impulse im Dorf.

Die Ehe bezeichnet den sozialen Schnittpunkt, an dessen Überwachung jede Herrschaft
vitales Interesse haben muß. Die Herrschaft lebt in jeder Bedeutung des Wortes von der
Familiengründung ihrer Untertanen. Zunächst bezieht sie das Mehrprodukt der in den
Bauernwirtschaften erzielten Erzeugnisse in Form von Zehnten und anderen feudalen Abgaben
als eigene Lebensgrundlage, oft sogar in der Weise, daß die Existenz mancher Untertanen
gefährdet wird. Dann ist sie aber auch auf die Nachkommen der Untertanen angewiesen, denn
sie werden mit ihrer Arbeitskraft die Leistungen für die Herrschaft sichern und sie werden eines
Tages die Lehenhöfe erben und neu besetzen. Der herrschaftliche Heiratskonsens hat von daher
den Sinn, unwirtschaftliche Ehen zu verhindern und Ehen eigener Leute mit Frauen anderer
Herrschaften, ungenoßsame Ehen, zu erschweren, weil dadurch die Kinder in ihrer Leibeigenschaft
an die fremde Herrschaft verloren gingen. Auswärtige Leibeigene sollen sich also bei
ihren Herren loskaufen und sich dem Zollergrafen ergeben. So ist gewährleistet, daß nach und
nach alle Nachkommen zollerische Leibeigene werden.

Zuletzt ist die Ehe ein Ziel und ein Mittel moralischer Erziehung. Die Ehe schließt die
unsteten, ausgelasseneren und beweglicheren Junggesellenjahre, teilweise als Wanderjahre
verbracht, ab, durch sie wird man seßhaft und ergibt sich den ökonomischen Zwängen. Für das
Ehepaar nimmt die Hochzeit den Charakter einer Affirmation gesellschaftlicher Verhältnisse
an, für die Festgemeinde allerdings bietet sie in ihren Formen, Ritualen und Bräuchen
Gelegenheit, einmal wieder Freude auszuleben, alltägliche Sorgen zu vergessen, aber auch
gewisse gesellschaftliche Schranken übertreten zu dürfen. Herrschaftliche Anordnungen
sorgen allerdings dafür, daß die zu erwartende Ausgelassenheit der Hochzeitsgäste ihre
Grenzen hat. Es sollen nicht mehr Gäste geladen werden, als zwei oder drei Tische fassen
können, die Alkoholmenge wird vorgeschrieben und auch Musik ist nicht selbstverständlich.
David Mayer muß etwa 1605 darum bitten, an seiner Hochzeit Spielleute halten zu dürfen.

Welcher Spielraum bleibt den jungen Leuten bei der Partnersuche, welche psychischen
Grundlagen haben die Ehen? Theis Seitz beklagt sich 1604 im Namen seiner Stieftochter Eva:

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