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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1986/0062
Robert Kretzschmar

Nach 1652 bricht die Überlieferung ab. Aus den folgenden Jahrzehnten bis zur Aufhebung
der Leibeigenschaft im Jahre 1686 sind soweit noch keine Verzeichnisse, die die Leibeigenschaft
betreffen, aufgetaucht.

*

Die Uberlieferung, so bruchstückhaft sie ist102, läßt eine zunehmende Intensivierung der
schriftlichen Kontrolle der Leibeigenen und eine fortschreitende Aufspaltung der zu diesem
Zwecke geführten Amtsbücher erkennen. Wir fassen zusammen: Erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts
begannen die Reichserbtruchsessen mit der listenförmigen Erfassung der Leibeigenen
des Territoriums Friedberg-Scheer, das sie seit 1452 - also schon ein halbes Jahrhundert-
innehatten. Für ein weiteres halbes Jahrhundert war ein einziges Buch in Gebrauch, das wenig
systematisiert, nachlässig und unvollständig geführt wurde. Zur Abspaltung eines Ausleutebuchs
und zur regelmäßigen Renovation kam es erst nach wiederum fünfzig Jahren in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, während man - und noch einmal derselbe Zeitintervall! -
zu Beginn des 17. Jahrhunderts, motiviert vom Bestreben, die Lokalleibeigenschaft einzuführen
, fremde Leibherren endgültig auszuschalten und die freie Bevölkerung in die Leibeigenschaft
herabzudrücken, zu Erhebungsmethoden überging, die die gesamte Friedberg-Scheerer
Untertanenschaft erfassen sollte.

Ob die skizzierte Entwicklung in irgendeiner Weise repräsentativ ist, ob sich in anderen
staatlichen Gebilden - zu vergleichen wären vor allem weitere Zwergterritorien - ähnliche Tendenzen
verfolgen lassen, kann man beim heutigen Forschungsstand nicht sagen103. Die in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Friedberg-Scheer eingetretene verstärkte Schriftlichkeit in
der Kontrolle der Leibeigenen deckt sich jedenfalls mit den Ergebnissen Herdings, der auf die
wachsende Zahl von Leibbüchern in Württemberg und in anderen Territorien nach der Mitte des
16. Jahrhunderts hingewiesen hat104. Andererseits hat sich der Befund Herdings, daß die »zu jener
Zeit neuerrichteten« württembergischen Leibbücher »zunächst von den Lagerbüchern lebten«105,
für Friedberg-Scheer nicht bestätigt. Zum einen setzte die Entwicklung der Friedberg-Scheerer
Leibbücher nicht erst um die Mitte, sondern schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts ein106, zum
anderen verlief sie von Anbeginn völlig unabhängig von den Urbaren107. Die konstatierte
Intensivierung der Führung von Leibeigenenverzeichnissen in Friedberg-Scheer bleibt natürlich
in Beziehung zu setzen zur Entwicklung der Leibeigenschaft im Territorium. Vor allem: Ging sie
einher mit einer Verschärfung der leibrechtlichen Verhältnisse? Daß die zu Beginn des 17. Jahrhunderts
vorgenommene Verfeinerung der Erhebungsmethoden und deren Ausweitung auf die
Gesamtbevölkerung als Reflex territorialpolitischer Zielsetzungen zu deuten ist, konnte hier nur
gestreift werden. Die minuziöse Untersuchung der Leibeigenschaft in Friedberg-Scheer und ihre
Bewertung im Kontext der Untertanenrevolten stehen noch aus.

Die erhaltenen Leibbücher dürften hierfür eine wesentliche Quelle sein.

102 Denkbar, daß nach Aufhebung der Leibeigenschaft zahlreiche Akten und Amtsbücher zur Leibeigenschaft
vernichtet wurden oder - da nicht länger in Gebrauch - verlorengingen. Zur Geschichte des
Friedberg-Scheerer Archivs, das erst in den Achtzigern des 18. Jahrhunderts eine Ordnung erhielt, sei auf
die Einleitung des Repertoriums StAS, Dep. 30, Friedberg-Scheer, Urkunden verwiesen, die der Verf. in
erweiterter Form veröffentlichen will.

103 Im Staatsarchiv Ludwigsburg wurde ich durch einen frdl. Hinweis von Herrn Archivoberinspektor
Udo Herkert auf die Uberlieferung der Leibbücher des Klosters bzw. der Fürstpropstei Ellwangen
aufmerksam, die 1390 einsetzt (StAL Bestand B397 Büschel 416 und 417). Eine computergestützte
Auswertung durch den Verf. ist in Bearbeitung.

104 Herding: Leibbuch (wie Anm.9) S. 159.

105 Ebd.

106 Zum Einsetzen der Überlieferung von Leibbüchern ebd. und passim sowie Andermann (wie Anm. 9)
S. 112 mit weiterer Literatur; vgl. auch oben Anm. 11. Zur Überlieferung der württembergischen Urbare:
Richter (wie Anm. 11) S. 101, Anm. 80.

107 Verbindungen oder gar Verzahnungen konnten nicht festgestellt werden.

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