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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1986/0113
Der Wandel des preußischen Staatsgedankens

Wilhelm L, den Soldatenkönig, nennen. Letzterer trug bewußt nicht mehr wie sein Vorgänger
die höfische Kleidung seiner Zeit, sondern als Ausdruck seines Wollens die Uniform. Seitdem
zog auch der preußische Soldat »des Königs Rock« an. Die militärischen Anstrengungen des
Monarchen galten allerdings nur der Sicherung Preußens. Vor allem deshalb vergrößerte der
diplomatisch unerfahrene und im Grunde seines Wesens unkriegerische >Soldatenkönig< die
sog. >Potsdamer Wachtparade< zu solch achtungsgebietender Stärke, daß man am kaiserlichen
Hof den Kopf darüber schüttelte. Durch denselben Monarchen wurde auf dem Exerzierplatz
unmittelbar vor dem Potsdamer Stadtschloß die charakteristische Grundlage des Hohenzol-
lernstaates gelegt. Dem hier unter den Augen des Königs praktizierten militärischen Drill
entsprach auf der anderen - zivilen - Seite eine strenge, pünktliche Verwaltung, äußerste
Sparsamkeit mit drastischen Einschränkungen des höfischen Luxus. Noch in seinem Testament
hat der königliche Landesvater seinem »Successor« die Maxime einer wachsamen und tätigen
Regierungsweise eingeschärft. Der Rechtspflege, der Kontrolle des Beamtenapparats, aber auch
der Fürsorge für die breiten Bevölkerungsschichten widmete der Monarch durch persönliches
Erscheinen am Ort einen wesentlichen Teil seiner Wirksamkeit. Im Testament von 1722 hat der
König diese Grundsätze in seinem Deutsch dem Nachfolger folgendermaßen ans Herz gelegt:
Euerfinancen müßet Ihr selber und allein tracktieren und das Kommando der Armee selber und
allein bestellen und die zwei haup(t)sachen allein disponiren, dadurch werdet Ihr die ottoritet in
der Armee durchs Kommando und die lieben wehgen das Ihr den Knop auf dem Beuttell alein
habet von eure Officir und ciwillbedinte haben*.

Bei dieser streng innenpolitischen Orientierung des Herrschers kamen freilich Kunst und
Wissenschaft zu kurz. Sein ungleich vielseitiger begabte Sohn Friedrich verlieh seinem Hof in
Sanssouci Ansehen und Glanz, wie sie bisher in Preußen unbekannt waren. Auf dem Gebiet des
inneren Aufbaus konnte der Sohn als »allgegenwärtiger König« dem Vater in den Fußstapfen
folgen, seine lender und Provincen jerlich bereissen und wie sein Vorgänger die Regimenter der
Armee, Offiziere, Land und Leute persönlich kennenlernen9. Doch erst die kühne Politik
Friedrichs in den Schlesischen Kriegen, seine Führungskunst gegen eine oft erdrückende
Ubermacht und das Beispiel persönlicher Todesverachtung im Kugelregen, haben das Bild
idealer königlicher und preußischer Tugend vervollständigt. Für Friedrich II. trifft zu, was als
»die zwei Gesichter Preußens« bezeichnet worden ist und was die kluge Französin Madame de
Stael vor 180 Jahren entdeckt hatte, als sie erklärte: Preußen zeigt ein Doppelgesicht wie ein
Januskopf: ein militärisches und ein philosophisches™. Wenn Friedrich auch kein originärer
philosophischer Denker war, so wurde er ein Herrscher und Schriftsteller von tiefen philosophischen
Einsichten, der in den Friedensjahren den persönlichen und literarischen Verkehr
mit Geistern wie Voltaire sehr geschätzt hat. Sein >Junggesellenschloß< Sanssouci, Ort der
legendären Tafelrunde, spricht noch heute durch seinen Stil und die ungemein kultivierte
Gestaltung der Innenräume für sich.

Wenn das Preußen Friedrichs II. trotz der menschenverachtenden Einsamkeit des strengen
absolutistischen Monarchen das Vorbild eines leistungsfähigen, harten, aber gerechten und
aufgeklärten Staates wurde und Großmacht blieb, so war der Staat durch seinen schweren und
riskanten Werdegang geprägt. Die Leistungen des adeligen Offizierscorps in den Schlesischen
Kriegen wiesen den König - noch mehr als seinen Vater - auf den Weg, das Junkertum auch
wirtschaftlich zu privilegieren und es in Verwaltung und Armee endgültig zur tragenden
Herrenschicht im Staate zu erheben. In seinem Politischen Testament von 1768 erinnerte
Friedrich seinen Nachfolger daran, daß er den Adel immer mit Auszeichnung und Hochachtung
behandelt habe; er gestand sogar ein, er habe ihn in seinem Landbesitz unterstützt und den
Bürgerlichen Hindernisse in den Weg gelegt, um ihnen den Ankauf von Rittergütern zu
erschweren, nicht zuletzt weil sie - seiner Ansicht nach - zu Offizieren und für die hohen

8 Politische Testamente der Hohenzollern. Hrsg. v. R.Dietrich. München 1981. S. 103.

9 Ebd. S. 111.

10 M.Schlenke: Einleitung zu Preußen, Beiträge zu einer politischen Kultur. Berlin 1981. S.9.

111


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