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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1986/0115
Der Wandel des preußischen Staatsgedankens

York, Zastrow oder Köscheritz stimmten wohl grundsätzlich mit Marwitz überein, wenn dieser
meinte: Stein... fing nun... die Revolutionierung des Vaterlandes an, den Krieg der Besitzlosen
gegen das Eigentum, der Industrie gegen den Ackerbau, des Beweglichen gegen das Stabile, des
krassen Materialismus gegen die von Gott eingeführte Ordnung, des (eingebildeten) Nutzens
gegen das Recht, des Augenblicks gegen die Vergangenheit und Zukunft, des Individuums gegen
die Familien, der Spekulanten und Comptoire gegen die Felder und Gewerbe,... des Wissens und
eingebildeten Talents gegen die Tugend und ehrenwerten Charakter. Von der sogenannten
Regeneration des preußischen Staates wollte dieser Vorkämpfer der Adelspartei nichts wissen,
zumal er die Schuld am Zusammenbruch Preußens - wie York - nur der Schlaffheit der oberen
Leitung Preußens zuschrieb.

Mit Ingrimm kommentierte man in altpreußischem Geiste, wie Stein in seinem Edikt
erwirkte, daß jeder ohne Unterschied ein Rittergut kaufen, der Adel dagegen jedes bürgerliche
Gewerbe treiben dürfe. Wie würde das Land bei diesem Plusmachersystem im neuen Wirtschaftsgeist
verwüstet werden?! Ebenso war ein Mann wie York erbittert über die gewaltsame
Abschaffung aller Hofdienste der Bauern ohne irgendeine Entschädigung des Gutsherren;
... ohne Modifikation wäre dies ein wahrer Eingriff in das Eigentum. Daß die Gutsherren später
reichlich entschädigt wurden, war zunächst noch nicht abzusehen, wurde aber nach den
Befreiungskriegen durchgesetzt. Die Befreiung der Bauern erschien nur als das Werk von
wirklichkeitsfernen Ideologen. York kommentierte Steins Entlassung mit dem Satz: Ein
unsinniger Kopf ist schon zertreten, das andere Natterngeschmeiß wird sich in seinem eigenen
Gift selbst auflösen14.

Als dann seit 1810 die Finanzedikte Hardenbergs die Liberalisierung der Landwirtschaft
und des Gewerbes einleiteten, wurde diese von Marwitz noch härter empfunden, da die alte
ständische Verfassung in den Marken aufgehoben wurde. Marwitz hatte gegen die Revolutionierung
durch die fremden Grundsätze in einer Letzte(n) Vorstellung noch einmal folgendes zur
Erneuerung des ahen Ständestaates in Vorschlag gebracht: Neben dem Landbau sollte sich der
Adel ausschließlich dem Kriegsdienst widmen; das Bürgertum mag sich in Handel, Gewerbe und
Wissenschaft betätigen. Jeder Stand soll seine >Nahrung< haben und in ihr ein ausschließliches
Privileg genießen15. Für moderne Staatswirtschaft und die Notwendigkeiten von Staatskrediten
besaß der rein privatwirtschaftlich denkende Marwitz wenig Verständnis. Der Junker sah in
Hardenbergs liberalen Reformen nur Leichtsinn, nur Begünstigung der Wucherer und Spekulanten
und empörte sich, daß die heillose Einrichtung der Hypotheken einer Menge Müßiggänger
den Mitbesitz und den Erwerb der Fleißigen mit in die Hand spielte. Nicht zuletzt
erleichterte die Menge der Staatspapiere, manchen ohne alle Arbeit durch bloße Spekulation zu
gewinnen16. Schließlich verurteilte Marwitz die Folgen der unbesonnenen gänzlichen Emanzipation
der niederen Stände. Seiner Auffassung nach gingen die Gewerbe zurück: Der Meister
ward der Knecht seiner Gesellen. Er hatte - infolge von Hardenbergs Gesetzen - kein Mittel
mehr, die faulen und liederlichen zu zwingen. Infolgedessen liefen sie von einem Meister zum
anderen und wanderten schließlich bettelnd umher. Erst recht ergrimmte es den Junker, daß der
Bauer der Knecht seines Gesindes, der Herr der [Knecht] seiner Bedienten wurde, weil alle
zwingenden Gesetze aufgehoben waren und jeder gleich davonlief, sobald man Ordnung und
Fleiß von ihm verlangte. Naturgemäß führte die neu gewährte Freiheit zu einer Unterminierung
der alten ständischen Ordnung. Marwitz klagte: In den Städten war kein Bäcker, Schuster und
Schneider mehr, der nicht versuchte, seinen Sohn studieren zu lassen, um ihn im Dienste des
Staates anstellen zu können, auf dem Lande kein Bauer, der den seinigen nicht in die Stadt
geschickt hätte, damit er ein Handwerk lerne17.

14 F. A. L. v.d. Marwitz: Ein märkischer Edelmann im Zeitalter der Befreiungskriege. Hrsg. v. F. Meu-
sel. Berlin 1908.1 S. XXI ff. S. XXIX-XXXIII.

15 Ebd. S. XXXVII und S.XLIX.

16 Ebd. S.594f.

17 Ebd. S.602.

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