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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1986/0121
Der Wandel des preußischen Staatsgedankens

Anzahl der beförderten Personen im Jahrzehnt vor 1890 - von 215 auf 434 Millionen
verdoppelte31, sogar im Güterverkehr waren in demselben Zeitraum eine Zunahme der
beförderten Güter im Gewicht von 167 auf 221 Millionen Tonnen zu registrieren32. Es gelang
allerdings Bismarck nicht, seinen Plan einer - einheitlichen - Reichseisenbahn im Parlament
bzw. Bundesrat durchzusetzen; dafür glückte es ihm, ein solches Bahnnetz in Preußen zu
verwirklichen. Bei diesem Anlaß wurde es den Zeitgenossen nur zu deutlich, welche Vorteile für
jedermann der technische und organisatorische Fortschritt brachte, da die Tarife für die
Streckenbenutzung der Eisenbahn vereinfacht bzw. koordiniert wurden und das uns heute
selbstverständliche System der Zuganschlüsse sich vervollkommnete.

Je mehr die Städte wuchsen, desto mehr gewann die für die Industrialisierung typische
Trennung von Lebensraum und Arbeitsplatz beim innerstädtischen Nahverkehr eigene Bedeutung
. Für den einzelnen wurde das Fahrrad das beliebteste und bald kaum entbehrliche
Verkehrsmittel33. Seit den 70er Jahren wurden für die größeren Städte die pferdegezogenen,
schienengebundenen Bahnen und die schienenunabhängigen Wagen (»Pferdeomnibusse«)
unentbehrlich, zumal das Automobil erst um die Jahrhundertwende und nur von relativ
wenigen benutzt werden konnte. Die Zukunft gehörte jedoch den elektrisch betriebenen
Straßenbahnen, seitdem Siemens -1881 - in Lichterfelde (Berlin) die erste in Betrieb genommen
hatte34. Pferd und Kutsche wurden seltener, ohne jedoch bis zum Ersten Weltkrieg und darüber
hinaus aus dem Straßenbild zu verschwinden. Das Telegraphenwesen war seit der Mitte des
Jahrhunderts auch für den privaten Gebrauch auf größere Entfernung das schnellste Kommunikationsmittel
, zumal das Telefon erst im 20. Jahrhundert im Geschäftswesen und später auch
von Privaten benutzt wurde.

Spektakuläre Bedeutung erlangte nach der Erfindung der Schiffsschraube die Entwicklung
immer größerer und schneller Ozeandampfer, die schließlich in weniger als einer Woche den
Atlantischen Ozean überquerten und Alte und Neue Welt - auch für Auswanderer - näherbrachten
. Das wetterabhängige Segelschiff wurde durch die schnelleren Dampfschiffe immer
mehr von den Meeren vertrieben35. Da diese großen und schnellen Transporter seit den 70er
Jahren den billigeren amerikanischen Weizen in beträchtlichem Umfang auch nach Deutschland
brachten, übten diese Importe, die die Preise für das ostdeutsche Getreide unterboten, auf die
Landwirtschaft Ostelbiens einen entscheidenden Einfluß aus, zumal Deutschland um die Mitte
der 70er Jahre im Zeichen des raschen Bevölkerungswachstums von einem Getreideexportland
sich zu einem Raum entwickelte, der auf zusätzliche Importe aus dem Ausland bzw. aus
Ubersee angewiesen war.

Unser Überblick über die Fortschritte der industriellen Revolution im Deutschen Reich
kann von zahllosen Neuerungen und Erfindungen kaum Notiz nehmen, sollte aber nicht über
die entscheidenden Entwicklungen hinweggehen, die sich aus der stürmischen Entwicklung der
Naturwissenschaften und von hier aus auf dem Felde der Chemie, der Physik und der Technik
herleiteten. Epochemachend darf die Erfindung der elektrischen Glühbirne durch Edison
bezeichnet werden, weil seit 1878 die Elektrizität ihren Siegeszug ins späte 19. und das
20.Jahrhundert antrat und nicht nur für die Beleuchtung, sondern seit 1880 durch die
Elektromotoren auch in wachsendem Maße für den Maschinenantrieb sogar der Dampfmaschine
Konkurrenz zu machen anfing. Nachdem Deutschland bis in die 70er Jahre hinein im
technisch-industriellen know-how vor allem hinter Großbritannien zurücklag, brachte die

31 Statistisches Bundesamt (wie Anm.29) S.203f. (Eisenbahnen).

32 Ebd. S. 204 (Personen- und Güterverkehr).

33 F.W.Henning: Die Industriealisierung in Deutschland 1800-1914. Paderborn 31973. S.241; G.Palmade
(wie Anm.30) S. 87/105.

34 F. W. Henning (wie Anm. 33) S. 243.

35 P.H.Seraphim: Deutsche Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Wiesbaden 1966. S. 155; W.Treue:
Gesellschaft, Wirtschaft und Technik Deutschlands. In: B.Gebhardt, Handbuch der deutschen
Geschichte. München 21977. S. 160 u. 181.

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