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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1986/0135
Preußen, Deutschland und die polnische Frage

ablehnenden Haltung der Armee und des Kommandierenden Generals in Posen13, des alten
Generals v. Colomb, wie seines Generalstabschefs Major v. Olberg. Auf entschiedenes Drängen
des liberal gesinnten Kabinetts Camphausen und im besonderen des Kriegsministers Graf
v. Kanitz wurden allerdings beide Offiziere einige Wochen später abgelöst, um »der polnischen
Bevölkerung des Großherzogtums Posen einen Beweis der versöhnlichen Gesinnung abzulegen
«, und »Frankreich gegenüber die Versicherung der Reorganisation des Großherzogtums zu
bewahrheiten...«14 Die Berliner Regierung sorgte am Ende erfolgreich für die Beilegung der
überbordenden Gegensätze in diesem ersten krisenhaften Streit der Nationalitäten, deren
Formen wie Auswirkungen auf beiden Seiten außer Kontrolle geraten waren und im übrigen die
überkommene Sozialordnung in der Provinz mehr noch als das preußische Regiment selbst
bedrohten15.

Die Regierung zeigte sich in ihrer Haltung alles andere als entschieden; aber der König selbst
war schwankend, an persönliche und dynastische Rücksichten gebunden und die preußische
Administration innerhalb der Provinz Posen von oben bis unten gespalten. Dies gilt letztlich
wohl auch für die Armee, kaum anders als für die polnischen Honoratioren. Die Entscheidungen
des Jahres 1848 fielen dann aber doch in den Erhebungen und Bewegungen auf unterster
Ebene und den militärischen Gegenaktionen, die schließlich vergleichsweise milde verliefen,
aber die Bewegung zum Erliegen brachten. So rasch, wie die nationale Konfrontation begonnen
hatte, erlahmte sie auch wieder. Im Herbst 1848 beendete eine locker gehandhabte Amnestie
den härteren Teil der Auseinandersetzungen, die indessen einige dauernde Spuren hinterließen.
Wie sich zeigte, konnte auch eine nationale deutsche Orientierung der preußischen Politik
Polen gegenüber recht unterschiedliche Versionen und Konzeptionen hervorbringen, wie
Clausewitz einerseits, der übrigens aus einer polnischen Adelsfamilie stammte, Willisen und
Albert v. Auerswald anderseits, aber schließlich auch Friedrich Wilhelm IV. dargetan hatten.

Die Erfahrungen der polnischen Erhebungen bewirkten aber, daß in der Provinz Posen die
Wende zur »Germanisierung« allmählich entschiedener einsetzte und dann kurz nach der
Reichsgründung einen ersten Höhepunkt erreichte. Doch sowohl die Erfahrungen als auch die
alsbald erkennbaren Rückschläge haben sich in den nächsten Jahrzehnten wiederholt und
weithin die Geschichte des deutsch-polnischen Verhältnisses geprägt.

Die amtliche preußische Statistik von 1861 zählte im Regierungsbezirk Posen über 59
Prozent der Bevölkerung als Polen, im Regierungsbezirk Bromberg 48 Prozent, im Regierungsbezirk
Oppeln über 61 Prozent; in der Provinz Preußen (West- und Ostpreußen noch - bis
1878 - zusammengefaßt) waren 29 Prozent der Bevölkerung nichtdeutscher Herkunft, Polen,

13 Willisen ging daraufhin nach Schlesien, dann nach Italien, später nach Wien und kehrte erst 1849 nach
Preußen zurück, wo er am 19. April als Generalleutnant zur Disposition gestellt wurde. Zu seiner
Rechtfertigung verfaßte er eine Broschüre »Akten und Bemerkungen über meine Sendung nach dem
Großherzogtum Posen im Frühjahr 1848«, die er in Kiel 1850, nach seiner Entlassung aus der preußischen
Armee und seinem Übertritt als Oberkommandierender in schleswig-holsteinische Dienste veröffentlichte.
Sein jüngerer Bruder, Adolf Frhr. von Willisen, stand mit Friedrich Wilhelm IV. seit dessen Kronprinzenzeit
in engerer Beziehung und war von April bis Juli 1848 dessen Flügeladjutant, später, seit 1858
Oberstallmeister. Er trat offenbar für seinen Bruder ein. Friedrich Wilhelm erwiderte ihm daraufhin in einer
ausführlichen Darstellung des Falles: »Die Armee ist indigniert, leider bis zur Krankheit indigniert gegen
Ihren Bruder«. Revolutionsbriefe (wie Anm. 10), S. 300-305. Vgl. die Zusammenfassung polnischer
Darstellungen durch Trzeciakowski (wie Anm. 8), S.60f.

14 Graf v. Kanitz an Friedrich WilhelmIV., 7.Mai 1848; Revolutionsbriefe (wie Anm. 10), S. lOOf.

15 Dies ergibt sich im Grunde auch aus der Schilderung von Trzeciakowski (wie Anm. 8), S. 60ff., die
überwiegend auf polnischen Quellen und Darstellungen beruht, aber Entscheidungen wie Entschiedenheit
des Königs überschätzt, der 1851 selbst an Gustav v. Willisen schrieb: »Hat nun Ihr Bruder auch
vollkommen recht, wenn er annimmt, daß meine Autorität im Jahre 48 praktisch null war, ...«
Revolutionsbriefe (wie Anm. 10), S. 304.

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