http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1987/0016
Robert Kretzschmar
sehen Statuten für die Forschung von besonderer Bedeutung sein - zumindest solange sich für
sie nicht der Gesetzestext eines anderen Territoriums als Vorlage nachweisen läßt und sie als
originäre Rechtsschöpfung der Frühneuzeit für ein Kleinterritorium zu gelten haben.
Die überarbeiteten Statuten des Truchsessen Wilhelm d.Ä. aus dem Jahre 1512
Ein Jahr nach seinem Regierungsantritt, der unmittelbar nach der Ermordung des Vorgängers
erfolgt war, veröffentlichte Truchseß Wilhelm d.Ä. eine überarbeitete Version der
Statuten von 151022.
Auch diesmal bleibt im dunkeln, mit welchem Engagement sich der regierende Truchseß
an der Entstehung des Gesetzeswerks selbst beteiligt und welchem seiner Amtsträger die
unmittelbare Bearbeitung oblegen hatte23.
Die Genese des Textes läßt sich jedoch hier optimal nachvollziehen, da nicht nur die ältere
Version von 1510 als Ausgangspunkt bekannt, sondern darüber hinaus noch eine Zwischenstufe
in den Akten erhalten ist24, die Spezifika der beiden anderen Fassungen aufweist, ein
überarbeiteter Text der Statuten des Sonnenbergers also, den man noch einmal verworfen und
einer weiteren Korrektur unterzogen hatte.
Die Vorrede
Bei der Lektüre der Statuten von 1512 fällt sofort auf, daß die einleitenden Worte keinerlei
Hinweis auf den Sachverhalt geben, daß die verordneten Ge- und Verbote auf früheren
Bestimmungen des Grafen Andreas basieren, ja diesen weitgehend wörtlich entsprechen. Im
Gegenteil: Als Motiv für den Gesetzgebungsakt wird angegeben, daß bisher die Bevölkerung
der Grafschaft viel Zwietracht, Schaden und Nachteil habe erleiden müssen, da es an einer
Ordnung oder gesetzt gemainen rechten gemäß gefehlt habe25.
Über den Grund dafür, daß Wilhelm d. Ä. die Statuten seines Vorgängers unerwähnt ließ,
kann nur spekuliert werden: Waren die gesetzlichen Verordnungen des Grafen Andreas zwar
ausgefertigt, aber den Untertanen in den wenigen Monaten zwischen der Besiegelung26 und
dem Tode des Sonnenbergers noch nicht zur Kenntnis gegeben worden? Oder war die im
Konzept bereits datierte Urkunde - eine Ausfertigung ist nicht bekannt - nicht mundiert und
vollzogen worden? Hatte sich die Landesordnung beim Tode des Grafen noch in der
Bearbeitung befunden? Nur neu entdeckte Quellen können hierüber Aufschluß geben.
Landesgeschichte 109 (1973) S. 175 ff. sowie Peter Blickle, Deutsche Untertanen. Ein Widerspruch.
München 1981, S.41. Editionen: Quellen zur neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands. Bd. 2. Polizei
- und Landesordnungen. Köln, Graz 1968.
22 StAS Dep. 30 Friedberg-Scheer Rep. II K. IV F. 1 Nr. 2/3. Anders als bei den Statuten von 1510, in denen
Truchseß Andreas von Sonnenberg als Aussteller der Urkunde im Nominativ auftritt, ist bei der Version
Wilhelms d. Ä. der objektive Stil gewählt. Ein Anonymus berichtet in der Vorrede über die Motive Wilhelms
für den gesetzgeberischen Akt, und auch in den einzelnen Statuten ist vom eigentlichen Gesetzgeber nur in
der dritten Person die Rede (Wann und als offt sich hinfür in siner gnaden herrschafft...). Ohne jeden
Beglaubigungshinweis bricht der überlieferte Text ab, ein Schlußprotokoll fehlt. Das Jahr der Publikation ist
nur in der Überschrift auf dem Titelblatt vermerkt: Anno 1512 bescheen.
23 Auch hier ist davon auszugehen, daß der Scheerer Obervogt verantwortlich war; wahrscheinlich hatte
der oben Anm. 20 genannte Sixt von Hausen dieses Amt noch inne.
24 Konzept, Papier; StAS Dep. 30 Friedberg-Scheer. Hier ist bereits der objektive Stil gewählt und das
Vorwort formuliert. Wie bei den Statuten von 1512 fehlt auch das Schlußprotokoll.
25 Vgl. unten die Edition. Im folgenden wird bei allen Verweisen auf den Text die für die Edition
behelfsweise eingeführte Durchnumerierung der Statuten zugrundegelegt.
26 Im überlieferten Konzept ist die Beglaubigung mit dem secret bi end der schrifft angekündigt (wie
Anm. 16).
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