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Hans-Dieter Lehmann
Walchen- und Schalken-Namen finden sich auch am Alpennordrand in Bayern und
Osterreich. Hier ist das Fortleben einer romanischen Bevölkerung bis in das frühe Mittelalter
z.B. aus den Salzburger Traditionen urkundlich belegbar17. Für die rechtsrheinische Alaman-
nia stößt die Vorstellung einer Bevölkerungskontinuität aus der Zeit vor der elbgermanischen
Landnahme auf Skepsis. Die Zerstörungshorizonte in den römischen Ruinenstätten und die
kulturellen Veränderungen um die Mitte des 3.Jahrhunderts sind so deutlich, daß an ein
Sitzenbleiben von Romanen nicht zu denken ist. Vorstellbar aber wäre eine einheimische
autochthone Bevölkerung, die die Lebensart römischer Herrschaft nur passiv erlebt hatte und
ihr ablehnend gegenüberstand. Die Rebarbarisierung des Raumes nach dem Abzug der
römischen Herren fände durchaus Parallelen, etwa in Dakien oder später in Britannien.
Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, aus den spärlichen schriftlichen und
archäologischen Zeugnissen der Frühzeit Rückschlüsse zu ziehen auf die damalige Bevölkerung
Inneralamanniens. Insbesondere wird ein neuer Vorschlag für die Lokalisierung eines
Ereignisses gemacht, welches für die Frühzeit in Inneralamannien von höchster Bedeutung
war: für die Schlacht bei Solicinio. Diese bildete den abschließenden Höhepunkt des Feldzuges
des römischen Kaisers Valentinian nach Alamannien im Jahr 368 n. Chr. und ist ausführlich
im Werk des Ammianus Marcellinus (Buch 27,10.5-16) beschrieben.
Der Bericht des Ammian wird im folgenden mit den Gegebenheiten eines Platzes vor der
Schwäbischen Alb verglichen, der in diesem Zusammenhang bislang nicht in der Diskussion
war. Neben der von der Natur gegebenen Lage werden auch zwei Flurnamen auf die
Möglichkeit überprüft, ob sie dortige Verschanzungen der Alamannen wahrscheinlich erscheinen
lassen. Der hierfür in Frage kommende Name wird aus zahlreichen Parallelen in
Süddeutschland erschlossen. Auch die Möglichkeit des Fortlebens des bei Ammian genannten
Ortsnamens Solicinio wird erörtert. Die Bedeutung des vermuteten Platzes wird vor allem aus
den hier zusammenlaufenden Altwegen erschlossen. Mit mündlicher Uberlieferung und mit
Funden in der weiteren Umgebung wird der Vorschlag zu untermauern versucht.
Frühere Versuche zur Lokalisierung von Solicinio und der Schlacht von 368
Neuschelern sah in der Darstellung des Feldzuges Valentinians im Jahr 368n.Chr. den
»Höhepunkt in der Verschwommenheit Ammian'scher Geschichtsschreibung«. Dieses krasse
Fehlurteil resultiert schlicht aus der Tatsache, daß bisherige Lokalisierungsversuche erfolglos
geblieben waren, erfolglos insofern, als die Summe der bei Ammian reichlich gegebenen
Details mit den vorgeschlagenen Örtlichkeiten nicht in Einklang zu bringen waren.
L Sulz am Neckar (genannt z.B. bei Schmidt1'*): Die Gleichsetzung von Sulz mit seiner
frühen römischen Ansiedlung mit dem gesuchten Solicinio dürfte wegen der Namensähnlichkeit
erfolgt sein. Dieser Zuordnung hat Schönfeld1® aus sprachlichen Gründen widersprochen.
Die Topographie von Sulz und Umgebung zeigt keinerlei Ähnlichkeit mit den bei Ammian
beschriebenen Gegebenheiten. Lokalpatriotismus eher als Fakten ließen Kopp und Schmidn
das Schlachtfeld westlich von Sulz zwischen Aistaig und Weiden suchen.
2. Bei Heidelberg oder bei Schwetzingen: Diese Örtlichkeiten werden in den Kommenta-
17 E.Schwarz: Baiern und Walchen. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte33 (1970) S. 857ff.
18 E. Neuscheler: Ammianus Marcellinus als Quelle für die Alemannengeschichte. In: Beiträge zur
Geschichte, Literatur und Sprachkunde vornehmlich Württembergs. Festgabe für K. Bohnenberger. 1938.
S.40.
19 L. Schmidt: Geschichte der germanischen Frühzeit. 1925. S. 77.
20 Schönfeld. In: Pauly's Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft III A1, 920.
21 F. Kopp: Heimatbuch Aistaig. 1971, mit Hinweis auf eine nicht aufgefundene Abhandlung von Joh.
Schmid: Die Freiheitsschlacht der Alamannen. 1937.
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