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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1990/0022
Hans-Dieter Lehmann

allerdings nur in einer spät im 12. Jahrhundert aufgezeichneten nordschwäbischen Fassung49.
Sie erwähnt mit einem einzigen Satz die Vorbesitzer des in Süddeutschland von den Schwaben
in Besitz genommenen Landes: die Wilheri. Diese hatten sich wegen einer bereits länger
zurückliegenden katastrophalen Niederlage unter den Schutz der Burgunder gestellt und
erbaten deren Hilfe gegen die Eindringlinge. Eine märchenhaft ausgestaltete List verhalf den
Schwaben zum Sieg über die Burgunder und damit zum Besitz des Landes der Wilheri.

Wer waren die Wilheri? Schneider50 sah in ihnen die Römer. Er leitet dies aus dem bei
Ammian mehrfach bezeugten Zusammenspiel der Römer mit den Burgundern gegen die
nördlichen Alamannen ab. Diese Vermutung kann aus dem folgenden Grund nicht stimmen:
der Strom suebischer Siedler setzte sich seit Mitte des 4. Jahrhunderts von Mitteldeutschland
nach Süden in Bewegung. Ammian (16,10.20) berichtet für das Jahr 357 von Einfällen der
Sueben in römisches Gebiet südlich der Donau. Rom vertreibt die Eindringlinge wieder; die
landhungrigen Scharen stauen sich vor der spätrömischen Donaugrenze. Die »Origo« läßt
aber die Schwaben südlich der Donausümpfe auf der »Swabaue« rasten, bevor sie versuchen,
über die Westalpen weiter nach Italien zu ziehen. Erst als dieser Plan mißlingt, wird das Land
der Wilheri besetzt. Rom hatte im Rätien südlich der Donau bis ins 5. Jahrhundert keine
dauernden Gebietsverluste hinnehmen müssen. Der Name »Swabaue« konnte hier erst nach
der Aufgabe der Donaugrenze im 5. Jahrhundert entstehen. Dies datiert die Vorgänge in die
römische Spätzeit oder die daran anschließende ostgotische Herrschaft und schließt die
Gleichsetzung der Wilheri mit den Römern des 3. Jahrhunderts auf rechtsrheinischem Gebiet
aus. Die Wilheri müssen hier als Herren des Landes Nachfolger der Römer gewesen sein, d.h.
sie waren alamannische Teilstämme. Burgunder als Schutzherren der Wilheri sind angesichts
der erwähnten Spannungen zwischen Burgundern und elbgermanischen Alamannen für diese
alamannischen Teilstämme eine Besonderheit. Eine solche Schutzherrschaft könnte von
rechtsrheinischen Burgundern im 4. Jahrhundert, von dem ersten Burgunderreich um Worms,
aber wahrscheinlicher noch von dem nach der Vernichtung des Wormser Reichs in der
Westschweiz entstandenen zweiten ausgeübt worden sein. Sie muß bereits vor dessen Eingliederung
in das Merowingerreich geendet haben, da Theoderich der Große die südliche
Alamannia am Anfang des 6. Jahrhunderts selber unter seinen Schutz nimmt. Die Schwaben-
Origo datiert die Landnahme der Schwaben im Südwesten nach der Zerstörung der Reiche der
Burgunder und Thüringer durch die Franken, d.h. nach dem Zusammenbruch des von
Theoderich dem Großen errichteten Bündnissystems unter dessen Nachfolgern. Sie wirft
Probleme auf durch die Verknüpfung von zwei getrennten Vorgängen, die zwischen dem
Ende des 4. und der Mitte des 6. Jahrhunderts liegen: 1. die Einwanderung der elbgermanischen
Bevölkerung Inneralamanniens aus Mitteldeutschland und 2. die spätere Landnahme
eines stammesbildenden Traditionskerns aus dem Norden im Zuge der Eingliederung der
Alamannia in das Merowingerreich. Auf diese Verbündeten der Franken geht das schwäbische
Stammesherzogtum zurück. Auf dem in der Schwaben-Origo beschriebenen Weg über den
Elberaum kommen mit ihnen nordische Einflüsse aus Skandinavien in die Alamannia.

Ich stelle die Hypothese zur Diskussion: Im Windschatten der Burgunder hatten sich in
den südlichen Landesteilen von Baden-Württemberg noch bis in das 4. Jahrhundert nichtgermanische
Stämme, die aus der vorrömischen Bevölkerung herstammten, gegen die Überflutung
durch Elbgermanen behaupten können. Die Alamannen, welche im Jahr 213 erstmals am
Main in das Gesichtsfeld Roms traten, hatten nach dem Abzug der Römer die Landstriche
zwischen dem Rheinübergang bei Mainz und dem Donauübergang bei Günzburg besetzt, d. h.
genau die Gebiete, die am Ende des 3. Jahrhunderts anläßlich des Feldzugs des Constantius

49 K. Möllenhoff: Von der Herkunft der Schwaben. In: Zeitschrift für deutsches Altertum 17, NF 5
(1874) S.57ff.

50 W.Schneider: Die Herkunftssage der Sweben. In: Arbeiten zur alamannischen Frühgeschichte.
HeftIII/rV. S. 1 ff.

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