Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1990/0211
Der Niedergang der Reichserbtruchsessen von Waldburg-Friedberg-Scheer

Somit ergibt sich folgende These: Auslöser und Ursprung der Verschuldung waren die
Streitigkeiten der Brüder Christoph, Karl und Gebhard um das väterliche Erbe zwischen 1580
und 1601. Als Reichserbtruchseß Christoph die Herrschaften schließlich ganz übernahm,
waren die Belastungen, die dadurch auf ihn übergingen, so erheblich, daß er sie nicht mehr
beseitigen konnte. Daß dies auch seinen Nachfolgern nicht gelang, beweist die Tatsache, daß
Graf Wilhelm Heinrich bei seinem Tod beträchtliche Schulden hinterließ. Die Folgen des
Dreißigjährigen Krieges, der württembergischen Besetzung und der Pestkatastrophen hatten
eine Sanierung der Graf- und Herrschaften verhindert.

Unterstützt durch die Erbstreitigkeiten zwischen den Söhnen Wilhelm Heinrichs, Christoph
Karl und Otto einerseits sowie ihren Vettern Christoph und Hans Ernst andererseits,
fand auch zu ihrer Zeit keine Erholung mehr statt. Das bewies das Inventar von 1672243.
Schließlich tat die durch das Verhalten Maximilian Wunibalds hervorgerufene Regierungskrise
ein übriges, um die Finanzmisere zu schüren. In der Folge davon wurde sie durch den Verlust
der Donaustädte und der Herrschaft Kallenberg sowie durch die Umwandlung Friedberg-
Scheers in ein österreichisches Lehen sogar noch verschärft.

Diese Geschehnisse, vor allem aber ihr unglückliches Aufeinandertreffen dürften der
Schlüssel für den wirtschaftlichen Abstieg der Reichserbtruchsessen und Grafen von Fried-
berg-Scheer sein. Alle anderen Faktoren, die im vorigen Kapitel angesprochen wurden, hatten
demgegenüber wohl nurmehr katalysierende Funktionen.

Wenn das so war, bleibt noch eine Frage offen: Woher rührte dann der Schuldenzuwachs
im 18.Jahrhundert? Immerhin war ja nach den vorangegangenen geschichtlichen Wirren,
innerhalb und außerhalb der Familie, wieder relative Ruhe eingekehrt. Die Antwort ist in
einem Satz zu formulieren: Es lag an der Eigendynamik der Schulden. Das wird wiederum an
den Rentamtsrechnungen Scheers deutlich. Erst mit und durch den Schuldendienst gerieten
die Bilanzen - von wenigen Ausnahmen abgesehen - in die roten Zahlen244. Bereits zwischen
1700 und 1711 betrug der Anteil der Zins- und Tilgungszahlungen 29% der Gesamtausgaben.
Von 1715 bis 1719 berechnet, waren es schon 39%. Obwohl wir für die lange Regierungszeit
des Grafen Joseph Wilhelm relativ wenige zusammenhängende Daten besitzen, zeigt sich
zumindest, daß sowohl Ende der Zwanzigerjahre, als auch zu Beginn der Fünfzigerjahre,
deutlich über 40 % der Aufwendungen für den Schuldendienst waren. Das läßt ihn wiederum
in einem etwas anderen Licht erscheinen, als dies bislang der Fall war.

Trotz dieser Anstrengungen wuchs - wie wir wissen - die Verschuldung weiter. Der
Grund dafür lag zweifellos im Verhältnis von Kapitaltilgung und -neuaufnahme. Bis 1759 läßt
sich aus den Rentamtsrechnungen nicht ersehen, wie hoch der Tilgungsanteil an der Kreditrückzahlung
war. Es ist jedoch angesichts der bekannten Schuldenhöhe unschwer zu ermessen
, daß allein die Zinsen in vielen Jahren mehr ausmachten als tatsächlich für den gesamten
Schuldendienst aufgewendet wurde245.

Folglich resultierte der Zuwachs einerseits daraus, daß mehr Kapital aufgenommen werden
mußte, als zurückbezahlt werden konnte und andererseits allein schon aus dem Auflaufen von

243 Vgl. Kapitel 3. dieser Arbeit, hier S. 182.

244 S. dazu Anhang5, hier bes. Spalte »Summe«.

245 Dabei ist von einem üblichen Zinssatz von 4 oder 5 % auszugehen. Daß dies die normale Verzinsung
war, geht aus verschiedenen Akten und Urkunden hervor. Z.B.: U927 (18.Oktober 1629); U1055
(11. November 1723). Ferner ein Schuldenverzeichnis aus den Fünfzigerjahren des 18.Jahrhunderts.
Rep.II, K.X, F. 6, Nr. 1-3. Ferner aus den zwischen 1752 und 1760 entstandenen Remarques. Ebd.
Außerdem ist in einer Klageschrift der Donaustädte gegen die Reichserbtruchsessen die Rede davon, daß
nach »Reichskonstitution« eine jährliche Verzinsung von 5 % zulässig sei. Das Schreiben dürfte bald nach
1654 entstanden sein. Rep. II, K. II, F. 22, Nr. 28. Mit der »Reichskonstitution« ist ein entsprechender
Beschluß des Reichstags von 1654 gemeint, der u.a. eine fünfprozentige Verzinsung als zulässige
Obergrenze festlegte, die sich tatsächlich bis 1775 auch durchsetzen konnte. Vgl. dazu Zorn: Gewerbe
und Handel. S. 533 ff.

209


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1990/0211