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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1990/0236
Neues Schrifttum

die Kriegsgeschichte des Jahres 1945 behandelt. Eine Schulklasse, die nach den Auswirkungen der
Freiheitsbewegung von 1848 im Kreisgebiet sucht, wird im allgemeinen Teil nicht fündig (man vergleiche
aber zum Beispiel Bd. 2, S.213 zu Langenenslingen). Nur bei den Städten ist in dem der Gegenwart
gewidmeten Teil C (Öffentliches Leben) regelmäßig etwas zu finden (gut ist zum Beispiel die Laupheimer
Geschichte nach 1800 in Bd. 2, S. 298 am Anfang von Teil C skizziert). Noch schlechter sieht es mit den
Ereignissen von 1918 aus. Vielleicht sollten sich die Schüler auch eher mit den Namen der Zeigen
beziehungsweise Ösche beschäftigen, die in jedem Ortsartikel minutiös dokumentiert werden? Welche
Sachverhalte der Geschichte nach 1800 in den der Gegenwart gewidmeten Teilen aufgenommen sind, ist
leider von Ort zu Ort verschieden. Die Geschichte der wichtigen jüdischen Gemeinde von Bad Buchau ist
über mehrere Abschnitte verstreut. Über die Auswanderung im 19. Jahrhundert ist einschlägiges weder im
allgemeinen Teil (S. 127 berücksichtigt nur das 18. Jahrhundert) noch regelmäßig in jeder Gemeindebeschreibung
zu entdecken.

Vergangene Lebensformen sind nur berücksichtigt, wenn sie in den Schubladen der historischen
Gemeindebeschreibungen unterzubringen sind. Man erfährt also im allgemeinen Teil nichts über historisches
Volksleben, es sei denn, man zählt dazu die eher entbehrlichen, von modernen volkskundlichen
Ansätzen weit entfernten Zeilen über »Brauchtum« S. 359 f. Die Mitteilung, daß der Pfarrer von
Langenenslingen im 18. Jahrhundert Fasnachtsküchle zu reichen hatte (Bd. 2, S.236), wirkt in dem sonst
staubtrockenen Beschreibungsschema der »Gemeindegeschichten« wie ein Fremdkörper und sollte besser
in einem entsprechenden Beitrag des allgemeinen Teils stehen. Traditionelle Verengung des Blickwinkels
scheint mir übrigens auch in den kunstgeschichtlichen Abschnitten gegeben; unter den »Bemerkenswerten
Bauwerken« der Gemeindebeschreibungen kommen etwa Technikdenkmäler nicht vor.

Thesenhaft verkürzt: Wenn die Kreisbeschreibungen ihren Bildungsauftrag ernstnehmen, dann müssen
sie die ganze Geschichte bis zur Gegenwart in allen ihren Facetten sichtbar machen und sowohl den
allgemeinen Teil als auch die Ortsbeschreibungen grundlegend neu organisieren.

Was den wissenschaftlichen Ertrag der Bände betrifft, so wäre es nützlich, wenn eine Einleitung über
die Aufnahmekriterien historischer Sachverhalte in den Gemeindebeschreibungen (gemeint sind dabei vor
allem die ländlichen Siedlungen) Rechenschaft ablegen würde. Was darf der Forscher in welchem
Abschnitt regelmäßig erwarten und was nicht? Spitäler und Sondersiechenhäuser werden beispielsweise
nicht einheitlich einem Gliederungspunkt zugeordnet (bei »Gemeinde« Bd. 2, S. 222,263; bei »Kirche und
Schule« ebd., S. 558, 586). Nach der vorzüglichen zweiten Auflage der »Beschreibung des Oberamts
Riedlingen« von Viktor Ernst, 1923, ist in Unlingen 1444 ein Siechenhaus bezeugt (S.905), das in der
neuen Kreisbeschreibung nicht erwähnt wird. Vergeblich blättert man den allgemeinen Teil nach einer
Zusammenstellung solcher und anderer Informationen zur Geschichte der Gesundheitspflege durch.
Ebensowenig wird deutlich, ob alle Informationen zum Gerichtssprengel der Dorfgerichte und ihrem
Rechtszug aufgenommen wurden - der allgemeine Teil sagt zu der Frage nichts, obwohl er sonst bei der
Rekonstruktion von Grafschaften, Forst- und Maßbezirken durchaus einschlägig interessien ist (man
vergleiche aber bei Viktor Ernst, S.341).

Für den Forscher unerfreulich ist der fast völlige Verzicht auf Einzelnachweise. Nur Erstnennungen
werden genau belegt. Angesichts der hohen Kosten für die Allgemeinheit, den die Landesbeschreibung
verursacht, ist nicht einzusehen, weshalb die Forschung jedesmal das Pulver neu erfinden muß, wenn die
Quellen der einzelnen Angaben nicht nachgewiesen werden. Die bei der intensiven Arbeit an den
weitverstreuten Quellen entstehenden neuen Erkenntnisse der Bearbeiter gehen nur in die (nichtöffentlichen
) Karteikästen der Abteilungen für Landesbeschreibung an den Staatsarchiven ein. Machbar wären
Alternativen durchaus, denkt man etwa an die bereits zitierte alte Oberamtsbeschreibung Riedlingen mit
ihren genauen Quellennachweisen (die nicht zuletzt deshalb unentbehrlich bleibt) oder an die mit Anmerkungen
dokumentierte Ulmer Stadtgeschichte Hans Eugen Speckers in »Der Stadtkreis Ulm« von 1977.

Wie ein summarischer Quellennachweis nicht aussehen sollte, kann man der Konstanzer Kreisbeschreibung
(Bd. 4 1984) entnehmen. Bei den Quellen zum Beispiel zur Geschichte Friedingens wird jede
einzelne Archivsignatur aufgeführt. Allein aus dem Generallandesarchiv sind das über 150 Einzelsignaturen
. Einen erkennbaren Nutzen stiftet eine solche Praxis nicht. Ebensowenig befriedigt die in den
vorliegenden Bänden gewählte Lösung, nach drei Einzelnachweisen aus Archiven und Quellenwerken alle
weiteren mit »u. a.« zu unterdrücken. Es gibt leider durchaus Quellenwerke und Findmittel ohne
Register. Da wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Ortsgeschichten eher die Ausnahme sind, ist die
Kreisbeschreibung oft das einzige wissenschaftlich begründete Auskunftsmittel. Auch sollte man nicht aus
dem Auge verlieren, daß Baden-Württemberg eben kein wissenschaftliches Atlasunternehmen in der Art
wie Bayern aufzuweisen hat, insofern also ein »Monopol« der Landesbeschreibung besteht. Wer eine

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