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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1991/0012
Casimir Bumiller

ihr Vater, der protestantische Pfarrer Jakob Frischlin, 1566 einer Pestepidemie erlag, die
damals seine Pfarrgemeinde Tailfingen heimsuchte, nahm der ältere Bruder den jüngeren
Jakob zu sich nach Tübingen, wo er ihn, gestützt auf seine beginnende Gelehrtenlaufbahn, an
Vater statt aufzog und - wenn man so will - ihn zu seinem Ebenbilde schuf. Es ist tatsächlich
verblüffend, wie ähnlich sich die beiden Brüder waren: wie Nikodemus empfand sich Jakob
als Poet und Historiker, auch er verfaßte Komödien und schrieb Chroniken zur württembergischen
Geschichte, auch er führte ein relativ unstetes Leben und teilte einige typische
Charakterzüge seines älteren Bruders. Nach dessen Tod 1590 trat er sogar in Nikodemus'
Fußstapfen und führte dessen unerquicklichen Streit mit dem Tübinger Professor Martin
Crusius, seines Bruders Erzfeind, noch zehn Jahre lang fort.

Insgesamt fehlte Jakob Frischlin jedoch die Genialität und die Originalität seines Bruders.
Den Einstieg in die akademische Laufbahn schaffte er nicht. Statt dessen führte er, obwohl er
sich zu Höherem berufen fühlte, 36 Jahre lang ein Schulmeisterdasein, das ihn nacheinander
nach Waiblingen, Cannstatt, erneut nach Waiblingen, Neuenstadt am Kocher, Reutlingen,
Urach, Schorndorf, Winnenden, Möckmühl, Ebingen und Balingen führte. Im Urteil der
Nachwelt rangiert Jakob Frischlin weit hinter seinem lorbeergekrönten »größeren« Bruder.
Nach Strauß steht Jakob zu seinem älteren Bruder in einem Verhältnis, wie wir es zwischen
Brüdern, oder auch zwischen Vater und Sohn nicht selten finden, daß nämlich der Eine wie
eine geistlose Kopie des andern erscheint ... Seine Sachen verhalten sich zu denen seines
Bruders wie gefärbtes Wasser zu Wein1.

Diese Einschätzung Jakob Frischlins ist bis heute im Grunde gültig geblieben. Es darf aber
nicht übersehen werden, daß Jakob Frischlin durch seine deutschen Übersetzungen der
lateinischen Komödien seines Bruders einen großen Anteil hatte an der Spielbarkeit der Stücke
und damit an der enormen Wirkung, die dem Werk des Nikodemus noch etwa hundert Jahre
beschieden war. Auch sollten wir seine Rolle in der südwestdeutschen Theatergeschichte, die
erst allmählich deutlicher sichtbar wird, nicht allzusehr unterschätzen. In hohenzollerischen
Gefilden dürfte der Name Jakob Frischlins ohnehin etwas geläufiger sein als der des Nikodemus
, verdankt die hohenzollerische Geschichte dem Schulmeister doch eine ihrer bedeutendsten
kulturhistorischen Quellen aus jener Zeit. 1598 zum offiziellen Beschreiber der Hochzeit
des Grafen Johann Georg von Hohenzollern nach Hechingen bestellt, konnte Jakob Frischlin
seinem Auftraggeber ein Jahr später Drey schöne und lustige buecher von der hohenzollerischen
hochzeyt (Augsburg 1599)4 im Druck vorlegen. Doch die Berührungen des Namens
Frischlin mit dem zollerischen Grafenhaus beginnen mehr als zwanzig Jahre zuvor, und zwar
mit Nikodemus Frischlin. Auch in dieser Hinsicht ist der ältere der beiden Poeten dem
jüngeren zum Wegbereiter geworden.

bergische Bibliothek oder Nachricht von allen bekannten, gedruckten und ungedruckten Schriften... im
Herzogthum Wuertemberg. Heilbronn 1780, S. 55, 87, 120, 457; Strauss (wie Anm. 1) S. 103, 109, 352ff.,
450, 453, 510 u. 566; Scherer: Artikel Frischlin, Jakob. In: Allgemeine Deutsche Biographie 8 (1878);
Eugen Schneider: David Wolleber, ein Bild aus den Anfängen der württembergischen Geschichtsschreibung
. In: WVjh. 20 (1911) S. 289-309; Hermann Mall: Jakob Frischlin - Schulmeister in Reutlingen und
Hofdichter der Hohenzollern. In: Schwäbische Heimat 14 (1963) S. 114-115; Werner Krauss: Die
Reutlinger Frischlin-Chronik. Forschungen über M.Jakob Frischlin. In: Reutlinger Geschichtsblätter 9
(1971) S. 71-199; Rudolf Seigel: Jakob Frischlin (1557-1621). In: Der Zollernalbkreis. Stuttgart 1979,
S. 204 f. Fritz Scheerer: Jakob Frischlin der Ältere (1522-1566) und Jakob Frischlin der Jüngere
(1557-1621). In: Heimatkundliche Blätter für den Kreis Balingen 1983 S.408 u. 412; Richard E. Schade
(Hg.) Nicodemus Frischlin, Julius Redivivus, in der Ubersetzung von Jacob Frischlin. Stuttgart 1983
(Reciam 7981 [2], S. 155-158; Die Zwiefalter Chroniken Ortliebs und Bertholds. Hg. von Luitpold
Wallach, Erich König und Karl Otto Müller (Schwäbische Chroniken der Stauferzeit 2). Sigmaringen
1978, S.21, 30ff. und 40f.

3 Strauss (wie Anm. 1) S. 352.

4 Eingesehen wurde das Exemplar der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, Sign. D. D. qt.
74.

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