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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1991/0019
Die Brüder Frischlin und ihre Beziehungen zu den Grafen von Zollern

Württemberger und Söhne eines protestantischen Diakons streng lutherisch orientiert waren.
Dennoch genossen sie die Hochachtung der katholischen Zollergrafen und verkehrten zeitweilig
beinahe freundschaftlich am Hof zu Hechingen.

Die Reformation hatte sich im Deutschen Reich seit dem Augsburger Religionsfrieden von
1555 fest etabliert. Die Gegenreformation organisierte sich nach dem Tridentinischen Konzil
1562. Die Fürstentümer schworen sich auf ihre jeweilige Konfession ein und schotteten sich
gegen Nachbarterritorien anderen Glaubens ab. Und dennoch hielt diese mental frostige
Epoche der deutschen Geschichte in der konkreten menschlichen Begegnung Möglichkeiten
der Kommunikation offen, die vor dem religionsgeschichtlichen Hintergrund überraschen.
Jenseits einer streng konfessisonell ausgerichteten Gesetzgebung und aller ideologischen
Abgrenzungen gab es in der späten Renaissance für die politischen und kulturellen Eliten
relativ differenzierte Begegnungsmöglichkeiten.

Wir wissen, daß der katholische Graf Karll. von Hohenzollern 1575 zur Hochzeit seines
protestantischen Nachbarn Ludwig von Württemberg geladen war. Sein Sohn, Graf Eitelfriedrich
I., ein erklärter Anhänger der katholischen Gegenreformation, konnte in erster Ehe
Veronika von Ortenberg, eine Protestantin, heiraten. Dessen jüngster Bruder Joachim, mit
einer Leibrente abgefunden und von der Herrschaft ausgeschlossen, trat zum Protestantismus
über. Ja, und auch der andere Bruder in Haigerloch, Graf Christoph, galt als lauer Katholik,
von dem man nicht genau wußte, inwieweit er dem evangelischen Glauben zuneigte. Er
verkehrte relativ selbstverständlich in der Umgebung des württembergischen Adels und des
Herzogs in Stuttgart und trieb, wie wir sehen werden, seinen Schabernak mit der latenten
Spannung, die zwischen Katholiken und Protestanten herrschte.

Nikodemus Frischlin selbst hat die Problematik der konfessionellen Zerrissenheit in seiner
Komödie »Phasma«, die er 1580 in Tübingen aufführte, thematisiert und sich darin als
Vorkämpfer gegen dogmatische Haltungen und religiöse Intoleranz erwiesen. Frischlin
gehörte zu den wenigen geistigen Größen seiner Zeit, die sich zwar zu einer Konfession
bekannten, denen aber die menschliche Begegnung und der gelehrte und künstlerische
Austausch über Konfessionsgrenzen hinweg über das religiöse Bekenntnis ging25. Auch wenn
er von seinen Kollegen und den Beamten in Württemberg mißtrauisch überwacht wurde26,
hatte Frischlin keine Probleme, mit Kollegen wie dem Dichter und Arzt Posthius am
(katholischen) Würzburger Hof zu korrespondieren oder in das Gespräch mit dem katholischen
Zollergrafen zu treten. Er verkehrte freundschaftlich mit hohen Beamten am (katholischen
) kaiserlichen Hof, die ihn, den Protestanten, zum Dichter krönten. Ja, 1579 hätte er
beinahe einen Ruf an die katholische Universität Freiburg angenommen, wenn ihm seine Frau
Margerethe ins »Papistenland« gefolgt wäre.

Die Glaubensspaltung im späten 16. Jahrhundert zwang Künstler und Gelehrte, die noch
immer die Universalität der Wissenschaften und Künste im Auge hatten, sich über territoriale
und Konfessionsgrenzen hinwegzusetzen, dies aber nicht nur aus Prinzip, sondern um ihrer
Förderung, und das heißt letztlich: um ihrer Existenz willen. Hätten sich die Künstler ihre
Gönner nur nach ihrer eigenen Konfession ausgewählt, sie hätten sich viele große (und teils
existenzsichernde) Chancen vergeben. Und hätten Kunstliebhaber und Mäzene wie Graf
Eitelfriedrich von Hohenzollern-Hechingen Künstler nur nach deren Glaubensbekenntnis
gefördert, wären zahlreiche große Talente überhaupt nicht ans Licht getreten. So kam der
Musik der Spätrenaissance, wie sie etwa an den Höfen in Stuttgart und Hechingen gepflegt

25 Zu den Schwierigkeiten mit der Toleranz siehe Winfried Schulze: Deutsche Geschichte im
16.Jahrhundert. Frankfurt/Main 1987, S. 258 ff.

26 Aufschlußreich ist ein Brief des Tübinger Hofrichters Hans Burkard von Anweil vom 12.1.1581 an
den Herzog, wo er u.a. von Frischlins Verhalten in Freiburg, wo man ihm 1579 eine Professur angeboten
hatte, berichtet: Frischlin habe sich damals mit fressen, sauffen, groben Zoten usw. verhalten, sich zu den
Pfaffen gesetzt, mit inen gesoffen, sich bey Inen insinuiert, dieselben amplectiert, die arm um denen Halß
geschlagen und sie geküßt (Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 274 BÜ42).

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