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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1991/0031
PETER THADDÄUS LANG

Die Polizeiordnung der Herrschaft Lautlingen"
aus dem Jahre 1587

Wer in unseren Tagen die Gefühle und Gewohnheiten der Menschen des 16. Jahrhunderts
aufmerksam studiert, der wird beim Vergleich mit der Gegenwart ganz erhebliche Unterschiede
feststellen.

So treffen wir in jener früheren Zeit allenthalben auf ein spontanes und urkräftiges
Herausbrechen der Gefühle, wohingegen im zivilisierten Mitteleuropa des 20. Jahrhunderts
Zurückhaltung und Selbstkontrolle das Bild prägen. Verdeutlicht sei dies an Gefühlsäußerungen
der Freude und des Jähzorns, wie sie uns bei den Menschen der Frühneuzeit entgegentreten
.

Die Fähigkeit, sich spontan und nachhaltig zu freuen und zu begeistern, äußert sich sehr
augenfällig bei Festumzügen, Prozessionen sowie Schaustellungen aller Art - die Zuschauenden
hopsten, tanzten und juchzten, sie warfen sogar ihre Hüte vor Freude in die Luft1. Auf
der Gegenseite erleben wir einen Hang zu gewaltig eruptiven Zornesausbrüchen. Schon bei
nichtigen Anlässen fielen derbe und beleidigende Worte, es folgten unvermittelt Handgreiflichkeiten
, und sodann sprachen stracks die Waffen. Solchermaßen war die Wirtshausschlägerei
landauf landab das häufigste Kriminaldelikt2.

Ganz analog stellen sich uns die Gepflogenheiten beim Trinken und Essen dar. Zu
feierlichen Anlässen zechten und schlemmten die Menschen ungezügelt, hemmungslos,
tagelang und in unfaßbar großen Mengen3.

Ein fast alle Grenzen hinter sich lassendes Überborden und Überschäumen bietet sich uns
auch im Bereich der Kleidung; wir blicken auf ein Panorama überwältigender Pracht. Vorzug
fand alles, was in die Augen sprang - leuchtende Farben, auffallende Formen, schrille Muster,
Üppigkeit des Schmucks, des Besatzes, der Bänder, Schleifen und Knöpfe, der Borten,
Rüschen und Zierstiche, aufwendig und kostbar die Schnallen, Gürtel und Fibeln, die Ringe,
Spangen, Reifen und Nadeln, die Paspeln, Halsketten, Federbüsche und Perlenschnüre - kurz:
wo man hinschaut, ein kaum vorstellbares Ausmaß an Gepränge4.

So sehr die frühneuzeitlichen Menschen sich dem Kleiderluxus hingaben, so wenig
Hemmung hatten sie, sich ihrer Gewänder vor aller Augen zu entledigen. Die Köchinnen und
Waschfrauen arbeiteten ohne Blusen und Mieder, wenn es ihnen zu heiß wurde. In den
Badstuben tummelten sich Weiblein und Männlein kunterbunt ohne jede Regel durcheinander

* Se;t 1975 Albstadt-Lautlingen; vgl. unten Anm. 17.

1 Gustav Schnürer: Kirche und Kultur im Mittelalter. Bd. 3. 1929. S.248. - Ludwig Andreas Veit-
Ludwig Lenhart: Kirche und Volksfrömmigkeit im Zeitalter des Barock. 1956. S. 87.

2 Vgl. z.B. Stadtarchiv Ulm, A3531 unter »Verwundungen«. Auch die Lebenserinnerungen des Götz
von Berlichingen geben ein äußerst plastisches Bild von der weit verbreiteten Rauflust in der Reformationszeit
.

3 Ernst Walter Zeeden: Deutsche Kultur in der Frühen Neuzeit. 1968. S. 177-182.

4 Ebenda S. 163-167.

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