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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1991/0094
Otto H. Becker

rung, wozu Hofmaler Gustav Bregenzer gelungene Plakate entwarf. Der Bürgerverein führte
1909 die Sage von der Altweibermühle auf und lud im folgenden Jahr zu einem »schaurigen
Geisterspuk auf dem Eulenberg« ein.

Die am 4. Dezember 1912 gegründete Fastnachtsgesellschaft >Vetter Guser< leitete erneut
einen Wandel in der Geschichte der Sigmaringer Fastnacht ein, indem sie den von den
Vereinen und Komitees gebotenen Maskeraden und Theateraufführungen erfolgreich Büttenreden
und musikalische Darbietungen entgegensetzte.

Der Ausbruch des 1. Weltkrieges und die katastrophale wirtschaftliche Lage in den 20er
Jahren bedeuteten für die Geschichte der Sigmaringer Fastnacht eine tiefe Zäsur und eine Zeit
der Bewährung. Zunächst waren Fastnachtsveranstaltungen unter freiem Himmel behördlich
verboten mit Ausnahme des Bräuteins, das seit 1924 wieder gestattet war. Die übrigen
närrischen Aktivitäten mußten auf interne Veranstaltungen der Vereine sowie auf Hausbälle
und Kappenabende beschränkt werden.

Die Situation wurde in einem Beitrag in der Hohenzollerischen Volkszeitung vom
12. Januar 1928 wie folgt dargestellt: Wer die schöne alte Sigmaringer Fastnacht noch kennt,
der wurde sicherlich in den letzten Jahren während der Fastnachtstage verstimmt. Der Krieg
und die Inflation schienen auch den Sigmaringern ihren früheren Humor geraubt zu haben.
Vielleicht wäre er aber noch nicht fast ganz versiegt, wenn die Regierung nicht in gewiß guter
Absicht Maßnahmen ergriffen hätte, die sich von Jahr zu Jahr mehr als falsch erwiesen ... Man
hat die Fastnacht auf der Straße und das Maskentreiben verboten und damit das Schönste ...
In den vergangene Jahren spielte sich die Fastnacht in den schwülen Ballsälen ab, wo der
Humor meist sehr arm dran war. Tanzen war die Parole ... Hat man mit den Verboten
wirklich jene Auswüchse ausgemerzt, die man damit treffen wollte? oder hat man gerade das
Historische, das Volkstümliche, das Originelle an der Fastnacht unterbunden, das sich bei
Tageslicht auf offener Straße ohne Scheu zeigen kann? ... Vielleicht genügen die Zeilen, um
unseren bewährten Elferrat auf den Plan zu rufen, damit auch in Sigmaringen die alte richtige
Fasnet von früher wieder auflebt?

Obwohl manche Sigmaringer mit Blick auf das Heer von über einer Million Arbeitslosen
das Fastnachtstreiben für deplaziert hielten, gingen die Hoffnungen des Autors des Zeitungsartikels
in Erfüllung: Die Fastnachtsbeschränkungen wurden aufgehoben und die Sigmaringer
begannen zu ihrem verloren gegangenen Humor und Fastnachtsbrauchtum zurückzufinden.
Neben den Maskenbällen der verschiedenen Vereine der Stadt (Turnerbund, Arbeiter-Bildungsverein
, Fußballverein, Männerchor, Schneelaufverein, Alpenverein, Museumsgesellschaft
, Bürgerverein und Frohsinn) entwickelten sich vor allem die sogenannten Fremdensitzungen
des Fastnachtsvereins »Vetter Guser« mit ihren kritisch humorvollen
Büttenreden, witzigen und spritzigen Musikdarbietungen und nicht zuletzt auch mit den
schmissigen Einlagen seines Balletts zum Publikumsmagneten für die Sigmaringer und die
Narren aus nah und fern.

Besonders gelungen muß die Fremdensitzung des Vetter Guser am 19. Februar 1933
gewesen sein, wie aus dem umfassenden Bericht in der Hohenzollerischen Volkszeitung vom
21. Februar d.J. zu entnehmen ist, der im folgenden in Ausschnitten wiedergegeben werden
soll:

Nach der zündenden Büttenrede des Präsidenten des Elferrates erfolgte unter Fanfarengeschmetter
und Fahnenschwenken der Einmarsch des Narrenministeriums mit Bräutlingsgesel-
len und des hohen grobgünstigen Narrengerichts und der Zimmermannszunft von Stockach in
ihren malerischen Trachten ... Mit seinem Prolog über die Semmeringer Fasnet steigt die
Vorführung des Programms. Der Vorhang geht hoch, der Sigmaringer Marktbrunnen steht in
magischer Beleuchtung da, zu seinen Füßen der schlafende Prinz Karneval, und mit einem
Schlag bricht die farbenprächtige Semmeringer Fasnet in bunten Gestalten herein. Daran
schließt sich das historische Bräuteln. Wieder steigt eine Büttenrede des Präsidenten, dessen
gepfefferter Humor den zum Platzen gefüllten Saal mit sich fortreißt. Schallenden Beifall

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