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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1991/0101
»Nauf auf d'Stang«

Die Mühle wirkte ein Wunder. Schon nach kurzer Zeit sprang mit einem hellklingenden
Juchzer die Fastnacht wieder jung und schön aus der Mühle.

Einen weiteren Höhepunkt erfuhr die Straßenfastnacht 1911, wozu die endgültige Ubersiedlung
des Fürsten Wilhelm von Hohenzollern, der zuvor als preußischer General tätig war,
nach Sigmaringen den Anlaß bot. Das Motto des Fastnachtsumzugs »Das deutsche Lied« war
als Huldigung an den Fürsten gedacht. Zu seiner Organisation bildete sich unter dem
Hofjuwelier Gustav Zimmerer ein Komitee, das die Mitwirkung aller Vereine erreichte.

Am Fastnachtsdienstagmorgen setzte sich der Zug vom Bauhof in Richtung Marktplatz in
Bewegung. An seiner Spitze befand sich der Bannerträger, die Bräutlingsgesellen und die
Stadtmusik. Die nachfolgenden Wagen verkörperten jeweils ein Volkslied. Den Schluß
bildeten die »Goldene Abendsonne« und »Der gute Mond« in Begleitung des Komets von
1910, die ihre Strahlen auf das Narrentreiben richteten. Danach erfolgte das historische
Bräuteln. Am Nachmittag waren die rund 300 Zugteilnehmer ins Schloß eingeladen, wo ihnen
der Fürst dankte und sie ermahnte, die alten Sigmaringer Fastnachtssitten auch in Zukunft zu
erhalten und zu pflegen.

Die mahnenden Worte des Fürsten hatten durchaus einen realen Hintergrund, wie dies
verschiedene Themen der Sigmaringer Fastnacht in den vorangegangenen Jahren hinlänglich
deutlich gemacht hatten. Der Prinz Karneval war krank und bedurfte dringender Behandlung.
Die Ursachen für die Erkrankungen war einmal der »berüchtigte Sigmaringer Kastengeist«,
der für eine gedeihliche Zusammenarbeit der konkurrierenden Vereine bei der Vorbereitung
und Durchführung der Fastnacht hinderlich war; zum anderen ging damals der sogenannte
>Lumpendunker<, ein Sigmaringer Original, in der Anwendung des Rügerechts zur Fastnachtszeit
so weit, daß selbst die eingefleischtesten Narren ihre Freude an der Fastnacht zu
verlieren begannen.

Bei den führenden Männern der Sigmaringer Gesellschaft setzte sich die Überzeugung
durch, daß die Fastnacht nur durch den >Mahlgang< eines speziellen Fastnachtsvereins wieder
verjüngt und ihr historisches Brauchtum erhalten werden könnte. Diese Aufgabe wurde dann,
wie wir wissen, der am 4. Dezember 1912 gegründeten Fastnachtsgesellschaft »Vetter Guser«
übertragen.

Der Fastnachtsverein übernahm dann auch unter der Mitwirkung der anderen Vereine die
Organisation und die Durchführung der Bräutlingsfeier am Fastnachtsdienstag 1913, die mit
der Taufe des »Vetter Guser« verknüpft wurde (Abb.2). Zu dem Taufakt auf dem
Marktplatz, dem ein farbenprächtiger Festzug vorausgegangen war, hatte man vor dem
Rathaus eine Tribüne aufgebaut, auf der Prinz Karneval mit seinem Gefolge und die Elferräte
mit dem Täufling Aufstellung nahmen. Nach einer Ansprache nahm dann der Prinz Karneval
mit einer Gießkanne, die mit elf Flaschen edelstem Schaumwein gefüllt war, die Taufe vor.
Nachdem sich der Täufling mit Hilfe seiner Patinnen aus dem Steckkissen herausgeschält
hatte, entpuppte sich dieser als ein »Vetter Guserlein«, das von den Bräutlingsgesellen auf die
Stange genommen und unter dem Jubel der herbeigeströmten Narrenschar um den Stadtbrunnen
getragen wurde. Dem »Vetter Guserlein« folgten der Prinz Karneval, der Präsident und
der Vizepräsident des Elferrates und die Bräutlinge. Die Gesellschaft machte dann dem
Fürsten Wilhelm und der Prinzessin Augusta Victoria ihre Aufwartung, die vom Fenster des
Pfarrhauses dem prächtigen Schauspiel zugesehen hatten.

1914 mußte wegen eines Trauerfalls in der Fürstl. Familie zwar von einem großen Umzug
Abstand genommen werden, man folgte aber nach dem Bräuteln der Einladung des »Vetter
Guser« zu einem närrischen Frühschoppen im Deutschen Haus, der inzwischen zu einer
festen Gewohnheit am Fastnachtsdienstag geworden ist.

Mit einem Schauspiel ganz besonderer Art erfreute in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg der
Sigmaringer Leo Holzmann die hiesige Narrenschar. Jedes Jahr am »Auselige« wurde der
Kinderfreund nach dem »Zwölfeläute« von den Schulkindern vor dem Runden Turm, wo er
seine Wohnung hatte, erwartet, um mit ihm einen Umzug durch die Stadt zu machen. Da er

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