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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1991/0105
»Nauf auf d'Stang«

Hausherr ... am Auseliga schon seit dem frühen Morgen durch die eingesetzte Frauenregierung
, »Sondertruppe (weiblich)«, schon nichts mehr zu bestellen, war er nachmittags nach dem
Sturm der Vetter-Guser-Zunft auf das Kasernentor endgültig abgesetzt... Der Widerstand der
noch regierenden Frauen war bald gebrochen, der Regierungssitz der 10. Panzerdivision im
Handstreich genommen ... Albrecht beugte sich der Allmacht der Narren und übergab als
Symbol der Kapitulation einen kleinen Schlüssel für den Tresor und einen großen Schlüssel zum
Kasernentor ... Dieser Sturm war bisher ebenso einmalig wie der noch berühmtere auf die
Bastille am 24. Juli 1789 in Paris.

1.6 Das Brautein

Höhepunkt und Kristallisationspunkt des Semmeringer Fasnetsbrauchtums ist das Bräuteln
am Fastnachtsdienstag, bei dem die jung verheirateten Männer, aber auch die silbernen und
goldenen Hochzeiter des vergangenen Jahres inmitten einer begeisterten Menge von den
Bräutlingsgesellen auf einer gepolsterten Stange um den Stadtbrunnen geführt werden. Der
Brauch, der erstmals in einer Anordnung des Oberamts Sigmaringen vom 12. Februar 1817 als
Bräuteln bezeichnet wird, ist jedoch wesentlich älter.

Der früheste Beleg, der bisher ermittelt werden konnte, stammt aus den Beilagen zur
Renteirechnung des Jahres 1723. Danach wurde auf gnädigen Befehl hin am 9. Februar den
Gesellen von Sigmaringen vor die gewöhnliche auf Kauffung des bronnen Tragens 4 Gulden
und WKreuzer ausbezahlt. Dabei konnte es sich nur um einen Loskauf des Fürsten Josef
Friedrich, der sich 1722 vermählt hatte, vom Bräuteln handeln.

Diese Interpretation wird auch durch eine Stelle im Geographischen Lexikon von Schwaben
gestützt. Dort heißt es über die Sigmaringer Fastnacht: Am Vorabend des neuen Jahres
zieht ein Haufe junger Burschen von Haus zu Haus und heult in gräßlichen Akkorden
Wünsche zum neuen Jahr. Des anderen Tages werden dafür Geschenke gesammelt und bis
zum Fasching aufbewahrt. Die jungen Pursch thun sich dafür gütlich, dann läuft was laufen
kann in buntscheckigen Kleidern von einem Tanzplatz zum anderen, hüpft bei Trommel und
Pfeifen um den Brunnen, läßt um diesen herum Himens [d.i. ein antiker Hochzeitsgesang]
Neulinge auf einer Stange reiten und was das abenteuerlichste bei der Sache ist, so führt der
Director des Tanzes den Zepter mit Bändern geschmückt in seiner Rechten und gibt ihn nach
gemachten Brauch dem Marienbild das auf dem Brunnen steht, mit aller möglichsten Ehrfurcht
in Verwahrung.

Das Lexikon ist zwar erst 1792 erschienen. Da die erwähnte Marienstatue bereits 1744
entfernt worden war, bezieht sich die Darstellung der Sigmaringer Fastnacht auf einen
Zeitraum, in dem auch die besagte Rechnungsbeilage entstanden ist.

Uber das Herkommen des Bräuteins liegen indes einige verschiedene Versionen vor. Nach
dem Volksmund ist der Brauch aus der Situation nach dem Dreißigjährigen Krieg hervorgegangen
, als die Bevölkerung, von Not geplagt, selbst die Lust am Heiraten verloren hatte. Als
schließlich einer der jungen Burschen erklärte, er werde heiraten, hätten ihm seine Kameraden
versprochen, ihn an der Fastnacht mit Trommeln und Pfeifen um den Marktbrunnen zu
tragen.

Diese Geschichte über die Entstehung des Bräuteins ist jedoch gar zu schön, als daß man
sie für bare Münze halten kann. Auch die Erklärung, daß das Bräuteln auf italienische
Vorbilder zurückgehe und von Studenten aus Bologna in ihre Heimat gebracht worden sei,
entbehrt jeglicher Authentizität.

Die bisher einleuchtendste Theorie über die Entstehung des Bräuteins hat der verdiente
Landesgeschichtler Willy Baur vorgelegt. Dieser verwies auf das Bräutlingsbaden, das im
Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit in vielen Städten und Gemeinden in Schwaben
Brauch war. Danach wurden die Bräutlinge von den ledigen Burschen an Fastnacht aus den
Häusern geholt und auf einer Stange um den Brunnen getragen und schließlich in diesen

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