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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1991/0135
Besprechungen

Einzelnachweise verzichten zu können (vgl. dazu meine Besprechung der Kreisbeschreibung
Biberach in der Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte 26. 1990, S. 233-235).

Zu Forderung 3: Wenn sich von Reichardt behauptete Namensdeutungen nicht mit dem
gesicherten Stand der landesgeschichtlichen Erkenntnis vereinen lassen, kann der Historiker
nicht umhin, dem Vertreter der Nachbarwissenschaft »Namenforschung« vorzuwerfen, daß
als gesichert ausgegeben wird, was mehr oder minder unwahrscheinliche Hypothese ist. Der
Historiker ist zu diesem »Veto« nicht zuletzt deshalb berechtigt, weil den Namensdeutungen
Auffassungen über historische Vorgänge zugrundeliegen und die vorgeschlagenen Herleitungen
, sollten sie zutreffen, erhebliche Konsequenzen für die historische Erkenntnis hätten.
Türkheim wird S. 211 als »Thüringersiedlung« gedeutet und mit dem vermeintlich durch
archäologische Befunde gestützten, jedoch unbewiesenen historischen »Vorgang« fränkischer
Thüringerumsiedlungen in Verbindung gebracht. Der älteste originale Beleg des Ortsnamens
datiert, wenn die Lokalisierung eines Ortsadeligen zutrifft, von 1171, sonst von 1295. Ich halte
es schlichtweg für eine krasse Überschätzung der Aussagekraft namenkundlicher »Befunde«,
wenn davon ausgegangen wird, daß sich die Differenz »Duringoheim« (Thüringersiedlung)/
»Duringesheim« (Siedlung des Düring) über viele Jahrhunderte hinweg unbeirrt von sprachlichen
Ausgleichvorgängen im »Volksmund« bewahrt hat. Ähnliches gilt für »Winterreute«
(S. 230), die angebliche »Rodungssiedlung der Slaven«, wobei die etwa von Isidor Fischer
vorgeschlagene Ableitung von dem Personennamen Winido erst gar nicht erwogen wird. Es muß
allerdings eingeräumt werden, daß solche Deutungen leider sehr verbreitet sind (vgl. etwa
Wolfgang Haubrichs im Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 16. 1990, S.21). Ich kann
nicht daran glauben, daß alle Namenkundler historische Hintergrundannahmen und sprachge-
schichtlichen Befund hinreichend strikt trennen - bevorzugt wird doch sehr häufig die historisch
»interessantere« Deutung, die dann »lautgesetzlich« als unausweichlich ausgegeben wird.

Während sich die frühmittelalterliche Namengebung so gut wie jeder Kontrolle entzieht,
verfügt man im Hochmittelalter doch über die eine oder andere Quelle, mit der man allzu
abenteuerliche Etymologien zurechtrücken kann. Reichardt pflegt hochmittelalterliche Burgnamen
meist von Personennamen abzuleiten. Man kann nicht umhin, in diesen Personen
folgerichtig die Erbauer der Burgen zu sehen. Ich muß gestehen, daß mir Personen wie Bero
von Berneck, Helfo von Helfenstein, Hilto von Hiltenberg, Loto von Lotenberg, Ravo von
Ravenstein, Roggo von Roggenstein und Zullino von Zillenhardt in den Quellen des 11. bis
13. Jahrhunderts noch nicht begegnet sind. Auch Todi von Todtsburg habe ich nie erwähnt
gefunden, was allerdings nicht verwundern kann, wenn zutrifft, was Jürgen Kettenmann
schreibt: »Auf der Dotzburg stand nachweislich nie eine Burg« (Sagen im Kreis Göppingen.
Weißenhorn 1975, S.82; 2. Aufl. 1989, S. 111). Dank der Forschungen von Hans-Martin
Maurer ist man über die Burgmannen des Hohenstaufens einigermaßen gut unterrichtet. Wohl
um die Mitte des 13. Jahrhunderts erbaute ein Angehöriger dieses Kreises, vermutlich ein Herr
von Plochingen, die Burg Ramsberg. Bei Reichardt ist dagegen zu lesen: »Der Ramsberg war
die Burg des >Rami<« (S. 164). Für einen Rami ist im 13. Jahrhundert in dem historischen
Kontext, in den die Erbauung der Burg zweifelsfrei gehört, kein Platz!

Ein Beispiel aus der frühen Neuzeit für allzu apodiktische Deutungen: »Messenhalden war
der >Hof des Mesners auf der abschüssigen Landparzelle, die ihm für seine Tätigkeit als
Kirchendiener zustand>« (S. 150). Sind nicht doch andere Möglichkeiten denkbar, wenn der
erste Namensteil tatsächlich von »Messe« kommt? Etwa: Hof auf oder an der Halde einer
Messe bzw. einer Meßstiftung?

Bestimmte Vorsichtsmaßnahmen sollten auch zum Handwerkszeug des Sprachwissenschaftlers
gehören. Wenn als ältester Beleg für Oberhausen bei Rechberghausen ein 1353
erwähnter Notar der Augsburger Kurie Johannes de Oberhusen präsentiert und damit die
abwegige Lokalisierung des Gmünder Regestenwerks von Nitsch übernommen wird, so zeigt
dieser Fehlgriff einmal mehr, daß auch die sprachwissenschaftliche Erhebung exakter Belege
nicht auf Quellenkritik verzichten kann.

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