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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1992/0184
Hans Albrecht Oehler

LEHREND- UND BITTENDE GROSSMUTTER DES CHRISTENTHUMS
HEILIGE ANNA

Die Lob-Rede Pater Sebastian Sailen

Am Id. Heymonat 1757, das Anna-Fest fiel auf einen Sonntag, begann der berühmte
Kanzelredner und Volksdichter aus Obermarchtal seine Lob-Rede vor dem fürstlichen
Bauherrn Joseph Friedrich und der Festgemeinde mit einem Preis des fürstlichen Bauens.
Offensichtlich auf den Wechsel des Landesherren vom Amt des militärischen Befehlshabers
im Dienste des Kaisers und bayerischen Kurfürsten zum Kirchenstifter anspielend, setzt er
Salomo, den Erbauer des Tempels zu Jerusalem, an die Spitze der zahlreichen Zeugen aus
Heils-, Welt- und Glaubensgeschichte, weil er als Lands-Fürst anstatt des Regiment-Stocks
den Maaß-Stab eines Baumaisters in Händen getragen... Das Gemüthe unterhaltet sich in der
Ergebenheit eines Fürsten I welche er gegen der Großmutter unseres Christenthums heiliger
Anna mit einem so großen Aufwand bezeiget. Das Lob des frommen Fürsten, auf gewisse
Weise das Thema des Langhaus-Freskos, wird am Ende der Predigt wieder aufgenommen und
legt sich so wie ein Rahmen um die beiden Hauptteile, in denen Anna als lehrende Mutter und
als Fürbitterin gepriesen wird, Themen, die denen des Chor- und des Vierungsfreskos
entsprechen.

Die Mutter Anna lehrt, da für die Frauen in der Kirche das Schweigegebot gilt, durch ihr
exemplarisches Leben. Und wenn der Kanzelredner ihr Leiden an der Unfruchtbarkeit
schildert, glaubt man die Anna des Chorfreskos vor sich zu sehen: Das blasse Gesichte I die
zerstreuete Haar I die von der Schamhaftigkeit geschloßne Augen I die mit Thränen benezte
Wangen und dann die überflüßige (= überreiche) Ersetzung aller Widerwärtigkeiten, die das
Fresko in der Verkündigung durch den Engel und die Vision von der Gottesmutter zeigt, die
die Predigt mit der Geburt Marias und dem Anblick des Kindes verbindet.

Anna als Fürbitterin im Kreis der Heiligen Sippe ist Thema des zweiten Predigtteils wie
des Vierungsfreskos, denn: Nicht nur ein Lehr I sondern auch ein Bitt-Haus ist dieser herrliche
Heiliger Annä zu Ehren erbaute Ort. Und die besondere Rolle der Sippe sieht der Prediger
darin, daß diejenige hierin allemahl mehr Gewalt haben I welche näher an die Bluts-
Freundschaft Christi gerucket seynd. Freunde I die man sich wählet I und Freunde I die von
Natur dazu geschnitzelt worden I seynd nicht eines... Das Herz folget dem Geblüte I welches
von einer Quell zugeflossen. Wir sehen Anna in der Glorie, welche durch ihre unvergleichliche
Tochter nächstens an den Messias gekommen. Sie ist nicht in der Behaltnuß der Vorhölle
wohnhaft I wie angezogne (= die zitierten) Groß-Väter des Judenthums damals wahren I
sondern sie sitzet in dem Licht ewiger Glori in dem vollkommenen Genuß der Anschauung
Gottes.

Dann wendet sich die Predigt der Verehrung der Heiligen Anna in aller Welt und, mit
einem Seitenhieb gegen die Ketzer, die sich darüber lustig machen, der Reliquien zu. Und
damit sind wir mitten im Fresko des Langhauses, wo das silberne und vergoldete Reliquiar in
die Höhe gehalten wird, das der Stifter der Kirche von einem Augsburger Silberschmied hatte
arbeiten lassen und das die Reliquien aufnahm, die der Beuroner Abt Rudolphus Reichel
gestiftet hatte. Bellen nun die Widersacher unserer Kirche gegen die Verehrung der Heiligen
Gebeine. Lästeren sie uns als Thorrechte I und Abgötter I die wir selber in Gold und Silber
einfassen... Wie viele der Gutthaten geben uns nicht sichere Geschicht-Schreiber an die Hand I
welche Gottes Barmherzigkeit durch die kostbare Ueberbleibseln heiliger Annä gewürket hat.
Durch dero Betastungen die Blinde heitere Augen; die Taube gesunde Ohren; die Presthafte
Entledigung von ihren Wehetagen erhalten.

Im Fresko werden wir Zeuge einer Besessenen-, einer Kinderheilung angesichts der Anna-
Reliquie, wir sehen Pilger und Bettler, die sich dem Heiligtum nähern. Der Prediger lädt ein:
Verachteter! der du selbst mit deinem unfrommen Wandel die Ungunst der Geschöpfe wider

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