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Die Beuroner Gnadenkapelle - ein Hauptwerk der »Beuroner Kunstschule«
damals schon die Verbindung mit einer Wallfahrt angestrebt war, ja sogar als Voraussetzung
für eine erfolgreiche Klostergründung angesehen wurde. Es ist also kein Zufall, daß die
Wallfahrt zur Schmerzhaften Muttergottes von Beuron sofort nach Gründung des Klosters,
Pfingsten 1863, neu eröffnet wurde.
Die Gründer Beurons, Rudolph und Ernst Wolter, mit ihren Ordensnamen Maurus und
Placidus, stammen aus dem rheinischen Katholizismus und gehörten zunächst zum Bonner
Günther-Kreis um Wilhelm Reinkens28. 1855/56 folgten sie ihrem Freund, Johannes/Don
Anselmo Nickes, nach S. Paolo fuori le mura in Rom und wurden Benediktiner-Mönche in
der politisch aufgeheizten Zeit des italienischen Risorgimento sowie theologischer Diskussionen
um das neue Dogma »Ineffabilis Deus« über die unbefleckte Empfängnis Maria (1854),
also während der Periode der Katholischen Restauration unter Papst Pius IX. So schätzten
auch die Gebrüder Wolter ganz besonders die Schriften ihres Zeitgenossen Matthias Joseph
Scheeben, des großen Mariologen und Vorkämpfers des »Glauben gegen die aufklärerischen
und rationalistischen Zeiten«29. Nach einiger Zeit des Suchens nach einem geeigneten Ort für
die Neugründung eines Benediktiner-Klosters in Deutschland stießen sie durch Vermittlung
der Fürstin-Witwe Katharina von Hohenzollern-Sigmaringen auf die Gebäude des ehemaligen
Augustinerchorherrenstifts Beuron30. Dort wünschte nicht nur die Geistlichkeit die Ansied-
lung einer Ordenskommunität, sondern es war auch eine Marienwallfahrt vormals gepflegt
worden, und der zuständige Bischof, der antiliberalistische Freiburger Erzbischof von Vicari
begrüßte ein derartiges Unternehmen mit offenen Armen. 1862 trafen sie ein und begannen
sofort, die Gebäude wieder herzurichten. Am Pfingstsonntag 1863 wurde das Kloster offiziell
eingeweiht, am Tag darauf, dem Pfingstmontag, die Beuroner Wallfahrt wiedereröffnet. Mit
dem Kloster direkt verbunden war auch die Pfarrstelle von Beuron, die P. Placidus schon 1862
neben seinen klösterlichen Pflichten übernommen hatte. Damit sind schon die Hauptcharak-
teristika des Beuroner Mönchtums vorgegeben beziehungsweise angedeutet:
Ausgehend von der neuen oder erneuerten Kirchenauffassung Johann Adam Möhlers und
Joseph Matthias Scheebens, die ein symbolistisch-sakramentales Kirchenbild vertraten
(»Organ und Erscheinung des Göttlichen« oder »sich ewig verjüngernder Sohn Gottes« etc.),
strebte man eine »Erneuerung aus übernatürlicher Substanz« an, also aus den Sakramenten31.
Wie ihr großes Vorbild im monastischen Bereich, Abt Gueranger von Solesmes (Frankreich),
und entgegen dem zurückgezogenen Lebensideal des Hl. Benedikt, folgten sie dem Leitsatz
»Monachus vir Ecclesiae« und pflegten daher ganz besonders die Liturgie, den gregorianischen
Choral und das Studium32. Es handelt sich hierbei trotz der Abweichung zum
benediktinischen Ursprung um eine sehr traditions-bewußte Haltung, da man sich ja dem
ursprünglich-kirchlichen, nämlich den Sakramenten und der Heilsvermittlung, dem ursprünglichen
Kirchengesang (Gregorianik) und dem Studium zur Erforschung der ursprünglichen
Überlieferungen widmete - »ad fontes«: Man betrieb die Seelsorge mit geradezu missionarischem
Impetus, um - unter anderem auch - die Beuroner »Heiden« (s. o.) zu einem
praktizierendem religiösen Leben zu bekehren; man pflegte die Liturgie und sakramentale
Akte, weshalb später auch die Beuroner Tochtergründung in Maria Laach zum Zentrum der
Liturgischen Bewegung in Deutschland wurde; man erforschte kritisch und übte den Choral-
28 Vgl. Fiala (wie Anm. 4) S. 42 ff.
29 Zu Scheeben: Siehe Vorwort zu: M.j. Scheeben: Die bräutliche Gottesmutter. Aus dem Handbuch
der Dogmatik herausgehoben und bearbeitet v. C.Feckes. Essen 1951. S. 5-12; j. Finkenzeller: Die
Lehre von den Sakramenten im allgemeinen. Von der Reformation bis zur Gegenwart (Handbuch der
Dogmengeschichte. T.iV, Fasz. lb). Freiburg 1981. S. 148-153.
30 Zur Bedeutung der Fürstin Katharina von Hohenzollern-Sigmaringen für Beuron vgl. Fiala (wie
Anm. 4) S. 49 ff.
31 Vgl. hierzu und zum Folgenden: Zähringer (wie Anm. 26) S. 339-343.
32 Zum benediktinischen Mönchtum vgl. M.Pacaut: Monaci e religiosi nel Medioevo. Bologna 1989.
S.75ff.
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