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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1993/0213
Besprechungen

Restitutionsedikt Ferdinands II. Auch in der Folge sieht der Autor Pfarrer und Untertanen in
einem beträchtlichen Maße als Opfer und Leidtragende herrschaftlicher Interessenspolitik und
teilweise rigoros ausgetragener Rechtsstreitigkeiten: Odenwaldstetten steht bis zum Erwerb
der Ortsherrschaft durch das Herzogtum 1749 im Spannungsfeld zwischen Zwiefalten und
Württemberg; in Eglingen führt das Nebeneinander von Speth'scher Ortsherrschaft und
Württemberg als nominellem Inhaber des Kirchensatzes zu endlosen, bei jedem Pfarrerwechsel
erneut geschürten Streitereien; Bernloch mit seinem Filial Meidelstetten ist vor allem auch
deshalb eine »Hungerpfarrei« mit einer hohen Versetzungsrate und kurzen Amtszeiten der
Pfarrer, weil das Kloster Weißenau als Inhaber der Zehntherrschaft nach seiner Verdrängung
als Patronatsherr durch Württemberg keinen Anlaß für eine großzügige materielle Unterstützung
einer protestantischen Pfarrei sieht; daß diese herrschaftlichen Rivalitäten durchaus kein
alleiniges Resultat konfessioneller Unterschiede sind, zeigen die Konflikte um Zehntbezug
und Pfarrfronen in Oberstetten, wo sowohl Ortsherrschaft (Zwiefalten) wie auch Patronats-
herrschaft (Fürstenberg) und Gemeinde katholisch sind.

Gerade auch auf der Grundlage der von ihm selbst aus den Quellen geschöpften Fakten
und Vorgänge wird Fritz den bäuerlichen Untertanen der fünf Albdörfer indessen kaum
gerecht, wenn er sie einseitig als bloße Opfer herrschaftlicher Politik sieht und deutet. Hier
wie auch andernorts zumal im deutschen Südwesten nehmen die bäuerlichen Dorfgemeinden
im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit vielmehr in durchaus selbstbewußter Weise ihre
Interessen gegenüber den herrschaftlichen Rechts- und Leistungsansprüchen wahr und
scheuen dabei absolut auch vor Konflikten nicht zurück. Bernloch etwa trägt Ende des
15. Jahrhunderts einen jahrelangen Rechtsstreit mit dem Kloster Weißenau um die Baulast des
Pfarrhauses aus. Die Bauern des Eglinger Filialortes Ehestetten greifen 1600 im Streit mit
Wilhelm Dietrich von Speth um hohe Abgaben zu dem in südwestdeutschen Untertanenkonflikten
häufig angewandten Kampfmittel des »Austretens« und setzen schließlich die Einsetzung
eines württembergischen Vogts zur Verwaltung der Dörfer durch. In einer Auseinandersetzung
zwischen der Gemeinde Oberstetten und Fürstenberg-Meßkirch um die Zehntrei-
chung von zwei bislang zehntfreien Gütern kommt es zu einem Prozeß vor dem bischöflichen
Offizialat und schließlich sogar zu einer halbjährigen Exkommunikation der unnachgiebig auf
ihrer Rechtsposition beharrenden Untertanen.

Kaum weniger selbstbewußt treten die Dorfgemeinden gegenüber ihren Pfarrern auf. Im
protestantischen wie im katholischen Bereich haben Pfarrer, die hinsichtlich der Erfüllung
ihrer seelsorgerlichen Aufgaben oder ihres Lebenswandels den dezidierten und durchaus
anspruchsvollen Anforderungen ihrer bäuerlichen Gemeinden nicht gerecht werden, unweigerlich
mit deren Widerstand und Protest zu rechnen. Die Ödenwaldstetter boykottieren
wiederholt die Gottesdienste ihnen mißliebiger Pfarrer. In Bernloch bekommen in der ersten
Hälfte des 18. Jahrhunderts gleich drei Pfarrer Schwierigkeiten mit ihrer Gemeinde - der eine
wegen schlechter Amtsführung und angeblicher Neigung zum Trinken, der zweite wegen
übler Haushaltung, Verschuldung und Verschwendung, der dritte schließlich wegen schlechter
Wirtschaftsführung, Ehestreitigkeiten, nicht standesgemäßer Kleidung seiner Familie und
Konflikten mit dem Schultheiß. In Eglingen kommt es Ende des 17. Jahrhunderts zu einem mit
Beschwerdeschriften an den Bischof von Konstanz und den württembergischen Herzogshof
ausgetragenen Konflikt zwischen Pfarrer und Gemeinde um die Abhaltung von Sonntagsgottesdiensten
in Pfarrort und Filial.

Für den protestantischen Untersuchungsbereich bietet Eberhard Fritz eine weiterführende
und für die dörfliche Kirchengeschichte vielfach vorbildliche und innovative Darstellung, die
auf der Grundlage einer soliden Kenntnis der württembergischen Kirchengeschichte sorgfältig
und differenziert die einschlägigen, überaus ergiebigen Quellen ausschöpft und mit erzählerischem
Talent auswertet. Beachtenswert ist vor allen Dingen die Schilderung der Ödenwaldstetter
Reformation und der damit verbundenen Prozesse und Umbrüche innerhalb der
Dorfgemeinde. Demgegenüber weist die Arbeit für den katholischen Untersuchungsbereich

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