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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1994-95/0280
Gabriel Richter

Zum im Austausch mit Herrn W. verlegten Patienten gibt es ebenfalls nur dürftige
Unterlagen. Er sollte, nach Aussage Maiers, wie oben erwähnt, bereits am 15.5.1941 nach
Zwiefalten verlegt und dort der Selektion zur Tötung preisgegeben werden. Nun wurde der
1908 geborene Maurer S., der übrigens schon am 5.9.1936 sterilisiert worden war, am
16.6.1941 nach Zwiefalten gebracht. Er überlebte: am 19.2.1942 wurde er in das Landeskrankenhaus
zurückverlegt und dort am 30.9.1942 entlassen136.

Im Herbst 1941 kündigte sich eine Kommission an, die weitere Selektionen in der Anstalt
vornehmen wollte. Sie bestand zuletzt wohl nur noch aus einer Person. Nach Aussagen der
Zeugen, die sich überhaupt noch an diesen Herren erinnern konnten, hätte er sich für
Krankengeschichten und Kranke interessiert137.

Bis 31.10.1941 sollten alle sicherungsverwahrten Patienten, das heißt Menschen, die eine
Straftat im Rahmen einer psychiatrischen Erkrankung begangen hatten, gesondert gemeldet
werden. In Sigmaringen konnte diesbezüglich »Fehlanzeige« erstattet werden138. In anderen
Einrichtungen wurden solche Patienten abgeholt und in Konzentrationslagern ermordet.

Gegenüber den für die Abholung der Patienten zuständigen Stellen in Berlin, die über den
Regierungspräsidenten der Hohenzollerischen Lande die Stimmung in den Anstalten nach
Durchführung der »Aktion T4« erkunden wollten, berichtete Dr. End am 16.1.1942 sehr
vorsichtig. Er schrieb, daß hier seit der Durchführung der Verlegung von Geisteskranken in
andere Anstalten wohl eine besondere Besorgtheit der Angehörigen um die Kranken wahrzunehmen
war, und zwar machte diese Wahrnehmung sich dahin bemerkbar, dass Selbstzahler
ihre Kranken, sofern es möglich war, aus der Anstalt herausnahmen. Eine Scheu vor der Heil-
und Pflegeanstalt besteht an und für sich nicht; lediglich die Besorgtheit um ihre Kranken betr.
Verlegung aus dem Landeskrankenhaus in andere Anstalten, konnte man wiederholt bei der
Neuaufnahme bei den Angehörigen feststelleni39.

Sehen wir die Zahl der Aufnahmen in den betreffenden Jahren in Tabelle 1 durch (1939
80 Aufnahmen, 1940 77, 1941 52), so sind wir erstaunt, daß die Neueinweisungen nicht, wie
man es angesichts der Gerüchte um die Krankentötungen vermuten könnte, deutlicher
zurückgegangen sind. Es zeigt sich keine Zäsur. Trotz der drohenden Ermordung der
Patienten wurden noch etliche psychisch auffällig gewordene Menschen von ihren Angehörigen
abgegeben, von Ärzten eingewiesen und in der Nervenabteilung aufgenommen.

Am 14.7.1942 kündigte das Reichsministerium des Innern via Schnellbrief aus Berlin eine
Kommission für »Planungsarbeiten in Heil- und Pflegeabteilungen« an140. Wo dieses Gremium
abgeblieben ist, ließ sich nicht ermitteln.

Am 14.11.1942 forderte Landesdirektor Maier im Rahmen eines zu erstellenden Katastrophenplanes
, daß Dr. Lieb als neuer Krankenhausdirektor festlegen sollte, wieviele körperlich
Kranke im Katastrophenfall in der »Irrenabteilung« untergebracht werden könnten. Antwort
Dr. Lieb: Im Vincenzhaus kann der Arbeitssaal mit etwa 18Betten, der Tagesraum mit etwa
14 Betten, der Wachraum mit etwa 16 Betten belegt werden. ...Im Annahaus könnten durch
Belegung des Ganges im 2. Stock ebenfalls 1 bis 2 Zimmer des 1. Stockes freigemacht werden,
sodaß wir Raum für etwa 12 zusätzliche Betten gewinnen können. Um aber auch Betten zu

136 KASXIV Acc. Nr. 1993-4 Lfd. Nr. 309. Krankengeschichte des Johann Jakob S.. Zu Fauser siehe
Klee (wie Anm.2) S. 265 ff. und 445 ff.

137 Grafeneck-Sigmaringen. Aussage Sr. Salome und Sr. Magdalena jeweils vom 13.11.1947.

138 StAS Ho. 310 Nr. 268. Undatiertes Blatt des FCL Sigmaringen an den Generalstaatsanwalt in
Stuttgart.

139 StAS Ho. 310 Nr. 268. Schreiben des Leiters der Nervenabteilung des FCL Sigmaringen, Dr. End,
vom 16.1.1942 an den RpLdHL, der wiederum Dr. End ein Schreiben des Rmdl (IV g 8410/41 - 5114)
zugeleitet hatte.

140 StAS Ho. 235 Nr. 133. Schnellbrief des Rmdl (IV g 8679/42 - 5106). Dr. Linden, an den RpdHL vom
14.7.1942.

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